Saarländischer Spar-Weg mit ungewissem Ende

Saarbrücken · 2400 Stellen sollen beim Land wegfallen. Die Gewerkschaften gehen nicht auf die Straße, sondern verhandeln mit der Regierung. Die Beteiligten ziehen eine positive Zwischenbilanz, die aber noch Baustellen offenbart.

Kann es die Aufgabe von Gewerkschaften sein, mit der Landesregierung über einen Stellenabbau in der Landesverwaltung zu verhandeln? "Es ist Aufgabe einer Gewerkschaft zu protestieren, wenn Personal abgebaut wird", sagte Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine einmal. Dass sich die Gewerkschaften 2012 anders entschieden haben, kann er bis heute nicht recht verstehen. Der damalige Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Reinhold Schmitt, gab 2013 die Parole aus, seine Leute verhandelten "bis zur letzten Patrone". Zwar stößt die Schuldenbremse bei Gewerkschaftern auf breite Ablehnung, weil sie den öffentlichen Dienst hart trifft. Doch verhandeln sei besser, als Dinge von oben verordnet zu bekommen, sagt DGB-Chef Eugen Roth .

Die 2012 ins Amt gekommene große Koalition hatte sich das Ziel gesteckt, bis 2020 rund 2400 der 23 000 Stellen in der Landesverwaltung zu streichen, ohne Entlassungen. Dabei sollten die Gewerkschaften eingebunden werden. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) hatte dies als "saarländischen Weg" bezeichnet.

Die Gewerkschaften haben den Stellenabbau, worauf sie großen Wert legen, nie mitbeschlossen, sondern bei einem Spitzentreffen am 8. Juni 2013 in der Staatskanzlei lediglich "zur Kenntnis genommen". Konstruktiv und vertrauensbildend seien die Gespräche mit dem Land seither verlaufen, betonen der eher linke DGB und der eher konservative Deutsche Beamtenbund (DBB). "Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht", sagt Roth.

Die Landesregierung ist heilfroh, darüber, dass die Gewerkschaften mitverhandeln, anstatt auf der Straße zu protestieren. "Alles andere als selbstverständlich" sei das, sagte Kramp-Karrenbauer gestern beim achten Spitzentreffen seit 2012. Ihre Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD ) machte den Gewerkschaften ein "ausdrückliches Kompliment", dass sie sich dieser Verantwortung stellten. Der Stellenabbau sei kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Einhaltung der Schuldenbremse . Die Gewerkschaft Verdi war 2013 aus den Gesprächen ausgestiegen, weil sie verheerende Folgen für den öffentlichen Dienst fürchete, ist inzwischen aber wieder zurückgekehrt.

Für die Beteiligung der Gewerkschaften zahlt die große Koalition durchaus einen Preis: Das jährliche Beförderungsbudget wurde um 60 Prozent erhöht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert, die Erschwerniszulagen erhöht. Künftig sollen die Behörden zudem mehr für die Gesundheitsförderung ihrer Mitarbeiter tun. "Das kann sich sehen lassen, was wir da durchgesetzt haben", sagt DBB-Chef Ewald Linn. Zudem wurden die Tarifabschlüsse für die Angestellten des Landes, was nicht in allen 16 Ländern der Fall war, auf die Beamten übertragen - allerdings mit zeitlicher Verzögerung. Je mehr ein Beamter verdient, desto später im Jahr steigt sein Gehalt. Für Linn ist dies immerhin die Garantie, dass die Beamten nicht abgehängt werden. Diese Lösung, das machten Kramp-Karrenbauer und Rehlinger gestern klar, soll es auch nach der nächsten Tarifrunde im Frühjahr 2017 geben.

Es läuft in den Verhandlungen aber nicht überall rund. Von den geplanten 2400 Stellen sind bisher gerade einmal 700 abgebaut, es kommt also noch einiges auf die Verwaltungen zu. Das Ziel soll statt bis 2020 nun bis 2022 erreicht werden, da sich der Bevölkerungsrückgang wegen der Flüchtlinge verschieben werde.

Die Diskussion darüber, welche Aufgaben die Verwaltung künftig mit weniger Personal nicht mehr machen soll, verläuft eher schwierig. Und die Beratungen in der gemeinsamen AG "Einnahmeverbesserung" lassen sich wohl am ehesten unter dem Motto "Außer Thesen nichts gewesen" verbuchen. Die Steuerpolitik wird im Bund gemacht, nicht in Saarbrücken . Die Gewerkschaften , allen voran Verdi, fordern eine Initiative, um Reiche stärker zu besteuern. Kramp-Karrenbauer sagte, man werde im Bundesrat keine "Show-Anträge" stellen, die keine Aussicht auf Erfolg hätten.

 Acht Mal haben sich Landesregierung und Gewerkschaften bislang zu Spitzengesprächen getroffen, zuletzt gestern. Foto: B&B

Acht Mal haben sich Landesregierung und Gewerkschaften bislang zu Spitzengesprächen getroffen, zuletzt gestern. Foto: B&B

Foto: B&B

Zunächst geht es um einen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich, ohne den die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2020 unmöglich wird. Wenn diese Hilfe nicht komme, sagte DBB-Chef Linn, brauchten die Gewerkschaften gar nicht mehr mit der Regierung zu reden. "Dann sind wir sowieso am Ende."

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