Die Seele zwischen den spitzen Ohren

Saarbrücken · Eine Erfolgsgeschichte, die mit einer erfolglosen Fernseh-Serie begann: 50 Jahre nach dem ersten Flug des „Raumschiffs Enterprise“ ist „Star Trek“ eine milliardenschwere Unterhaltungsmaschinerie. Ein Blick zurück.

 Der neue Spock: Zachary Quinto spielt den Vulkanier seit 2009 in der neuen Kinoreihe – auch im dritten Film „Star Trek Beyond“, der heute in unsere Kinos kommt. Foto: Paramount

Der neue Spock: Zachary Quinto spielt den Vulkanier seit 2009 in der neuen Kinoreihe – auch im dritten Film „Star Trek Beyond“, der heute in unsere Kinos kommt. Foto: Paramount

Foto: Paramount

Spitze Ohren aus Gummi, Planeten aus Pappmaché, Raumschiffe aus Plastik: Wer hätte gedacht, dass sich dies alles zu einem Phänomen zusammenfügen würde, zu einer Art Kulturerbe und - nicht zu vergessen - zu einer Gelddruckmaschine für den Unterhaltungsriesen Paramount ?

1966 jedenfalls ahnte das niemand, als im US-Fernsehen die Reihe "Star Trek" (bei uns hieß sie "Raumschiff Enterprise") ihren Jungfernflug antrat. Das Kommando hatte der schneidige Captain James "Jim" T. Kirk, begleitet vom unterkühlten Intellektuellen Mr. Spock (Lieblingswort: "faszinierend") und dem idealistischen Mediziner Dr. McCoy alias "Pille" (Lieblingssatz: "Er ist tot, Jim."). Kirk schlug sich mit Außerirdischen wie den garstigen Klingonen oder pelzigen Tribbles herum, rettete Planeten und brach die Herzen von luftig bekleideten Damen - dies alles in knallbunten Studiodekorationen, um deren Standfestigkeit man manchmal fürchten musste.

Galaktisch fielen die Einschaltquoten nicht aus, so dass die "Enterprise" nach drei Staffeln seine Ruhestätte im Trockendock der TV-Pleiten fand - vorerst. Denn der Charme der Weltraumabenteuer, in regionalen US-Sendern ständig wiederholt, ließ Kirk und Kollegen langsam zu Figuren der Gegenwarts-Kultur avancieren - ein Phänomen, dass sich durchaus mit dem viel strapazierten Wort "Kult" schmücken darf und ab 1979 sogar seinen Weg auf die große Leinwand fand, in Form von sechs erfolgreichen Kinofilmen. Auf großen "Conventions" treffen sich bis heute tausende von Fans , oft in selbst geschneiderten "Enterprise"-Uniformen oder auch rustikalen Klingonen-Trachten in Leder.

1987 trat der erste Nachfolger von Captain Kirk seinen TV-Dienst an: Jean-Luc Picard, ein sensibler, glatzköpfiger Teetrinker, den die manchmal durchaus empfindlichen "Star-Trek"-Fans erst einmal misstrauisch beäugten und mit Kirk verglichen. Heute gilt diese Reihe namens "Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert", mit 178 Folgen und vier Filmen (zwischen 1987 und 2002), bei vielen Fans als Höhepunkt des "Star-Trek"-Mythos', als eine perfekte Symbiose aus utopischer Unterhaltung und der Behandlung sehr irdischer Themen wie Rassismus, Terrorismus, Familienkonflikten und auch Sterbehilfe - hier fand alles seinen Platz. Einige "Star-Trek"-Serien folgten: "Deep Space Nine" (1993-1999) erzählte vom Leben in einer Raumstation, bei "Star Trek: Voyager" (1995-2001) saß erstmals eine Frau auf dem Chef-Sessel der Raumschiffbrücke. "Star Trek: Enterprise" (2001-2005) schließlich erzählte von der Zeit vor Kirk und Spock - doch hier machte sich am Bildschirm eine gewisse Fan-Müdigkeit bemerkbar, genau wie im Kino: Dort erlebte Jean-Luc Picard mit "Nemesis" (2002) sein letztes Abenteuer in halb leeren Kinos - für die "Star- Trek"-Unterhaltungsmaschinerie die dunkelste Stunde seit der Absetzung der Ur-Serie 1969. Mittlerweile hat sich "Star Trek" nach einer gewissen Durststrecke erholt: Neue Kinofilme mit einer neuen Besetzung für die alte Besatzung Spock, Kirk und Co. haben seit 2009 ein jüngeres Publikum erschlossen, mit durchaus gut gemachten Filmen; die könnten allerdings alte "Star-Trek"-Fans durch bombastische Effektgewitter und einen bizarren Hang zu Prügeleien (auch Spock schlägt überraschend herzhaft zu) verschrecken. Das scheint den ursprünglichen Reiz von "Star Trek" manchmal in den Hintergrund zu drängen: die Geschichten und die Beziehungen der Figuren zueinander. Die Tricks etwa der ersten Serie mögen längst veraltet sein, die TV-Optik billig wirken - doch die Seele des Ganzen sind eben die Figuren: Captain Kirk, der ab und an mit seiner Impulsivität und Arroganz ringt, und vor allem der Außerirdische Spock, der hin- und hergerissen ist zwischen Logik und Gefühl. Der klassische Konflikt einer oft tragischen Figur, ähnlich wie die Maschine Data, eine der Hauptcharaktere in "Das nächste Jahrhundert": ein Roboter, der sich nichts sehnlicher wünscht, als menschliche Gefühle empfinden zu können. Vielleicht ist es das, was "Star Trek" so langlebig macht: Nimmt man die Effekte weg, die Gummi-Ohren, die Schauwerte, dann bleibt immer noch eine gute Geschichte. Und die hört jeder gerne.

"Star Trek Beyond" startet heute in vielen Kinos der Region. Kritik heute in unserer Beilage treff.region.


Sechs Fakten zur Geschichte von "Star Trek"



Mehr als 700 TV-Episoden, ein gutes Dutzend Kinofilme, Bücher und Computerspiele - "Star Trek" gilt als eine der erfolgreichsten Erfindungen des Sci- ence-Fiction-Genres. Sechs Fakten, die man kennen sollte:

Wie es begann: 1966 startete "Star Trek" im US-Fernsehen, wegen schlechter Einschaltquoten setzte NBC die Serie nach 79 Folgen 1969 wieder ab. Mit der Mondlandung nahm das Interesse dann aber weltweit zu. Ab Mai 1972 lief die Serie im ZDF unter dem Namen "Raumschiff Enterprise". "Star Trek Beyond" ist der mittlerweile 13. Kinofilm.

Ein Filmkuss zwischen dem hellhäutigen William Shatner (Captain Kirk) und der dunkelhäutigen Schauspielerin Nichelle Nichols (Lieutenant Uhura) sorgte 1968 in den USA noch für Aufsehen und Empörung. Sender in den Südstaaten weigerten sich, die Folge auszustrahlen. In der US-Fernsehgeschichte war es einer der ersten Küsse zwischen Schwarz und Weiß und Nichols die erste Dunkelhäutige mit einer Hauptrolle.

Klingonisch machte ihn berühmt: Der US-Sprachwissenschaftler Marc Orkrand erfand die rau klingende Kunstsprache der Außerirdischen für die Kultserie in den frühen 1980er Jahren im Auftrag von Paramount Pictures . Fans aus aller Welt pilgerten im November 2015 nach Saarbrücken , um an einem Sprachkurs teilzunehmen.

"Beam me up, Scotty": Der immer wieder zitierte Kult-Spruch ist so nie gefallen, wenn Kirk seinen Chef-Ingenieur dazu auffordert, die Besatzung des Raumschiffs an einen anderen Ort zu "beamen". Stattdessen fielen ähnliche Sätze wie: "Scotty, beam us up" oder "Beam them out of there, Scotty".

Leonard Nimoy , der in der Rolle des spitzohrigen Vulkaniers "Mr. Spock" berühmt wurde, ist als einziger Darsteller in allen Folgen der Serie zu sehen. Sein eigenwilliger Haarschnitt inspirierte in den 1960er Jahren viele Teenager, sich eine ähnliche Frisur zuzulegen.

 „Machen Sie es so!“ Ein klassischer Satz von Captain Jean-Luc Picard (Patrick Stewart). In 178 TV-Folgen (1987-1994) und vier Filmen (1994-2002) bereiste er das All und trank schwarzen Tee. Foto: Sat.1

„Machen Sie es so!“ Ein klassischer Satz von Captain Jean-Luc Picard (Patrick Stewart). In 178 TV-Folgen (1987-1994) und vier Filmen (1994-2002) bereiste er das All und trank schwarzen Tee. Foto: Sat.1

Foto: Sat.1

"Star-Trek-Erfinder" Gene Roddenberry ließ seinen Traum vom Universum nach dem Tod wahr werden und wählte eine Bestattung im All. 1997 ließ seine Witwe einen Teil seiner Asche in den Orbit befördern, es war eine der ersten Weltraumbestattungen überhaupt. Der 2005 gestorbene "Scotty"-Darsteller James Doohan folgte ihm 2012 - an Bord einer Falcon-9-Rakete.

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