Das Saarland wird zum Blitzerland

Saarbrücken · Harte Zeiten für Raser: Heute gehen im Saarland zwei weitere feste Blitzer in Betrieb. Immer mehr Kommunen setzen zur Verkehrssicherung auf die schlanken Säulen – und wehren sich gegen den „Abzocke“-Vorwurf.

 Die Blitzer in der Camphauser Straße in Saarbrücken werden heute scharfgeschaltet. Foto: Becker&Bredel

Die Blitzer in der Camphauser Straße in Saarbrücken werden heute scharfgeschaltet. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

"Achtung, ein Blitzer!" - den panischen Zuruf des Beifahrers kennt jeder Autofahrer. Ab heute dürfte im Saarland deutlich häufiger gerufen werden, denn in Saarbrücken geht die nächste Radar-Station in Betrieb. An der Camphauser Straße in Höhe Saarlandhalle wird künftig scharf geschossen; damit sind es jetzt fünf feste Mess-Standorte in Saarbrücken - und schon mehr als 30 im ganzen Land. Seit 2013 schießen die festen Blitzer als Säulen am Straßenrand wie Pilze aus dem Boden. Tempo-Messungen sind eigentlich Aufgabe der Polizei ; seit 2004 dürfen Kommunen aber auch in Eigenregie gegen Raser vorgehen - durch mobile oder feste Blitzer. Die ersten festen installierte vor drei Jahren Püttlingen, auch in Neunkirchen, Friedrichsthal, Saarlouis, Lebach und Dillingen stehen Säulen; Merzig und Wadern planen die Einführung. Während die ersten Kommunen schon Erfolge melden, begleitet auch Kritik die Blitzer-Blüte.

Weil einige Kommunen beim Betrieb mit Privat-Firmen kooperieren, die die Anlagen stellen und Fall-Pauschalen erhalten, vermuten Bürger und die Autofahrer-Lobby wirtschaftliche Interessen. Je mehr Tempo-Sünder, desto mehr Geld - schlecht, sagen Kritiker. Hinzu kam realer Ärger in Neunkirchen: Dort erlitt die Stadt im April einen Dämpfer, weil das Partner-Unternehmen Jenoptik in die Auswertung der Radar-Daten einbezogen war, was aber nur die Kommune darf. Der Kläger, der sein Knöllchen nicht zahlen wollte, bekam Recht.

Auch an der Wahl der Standorte entzündet sich Kritik - wie in Neunkirchen, wo Blitzer an Ausfallstraßen stadtauswärts stehen und SZ-Leser auf Facebook von "Abzocke " statt Verkehrssicherung schrieben.

Tatsächlich verdienen die Kommunen an den Blitzern, dürfen Einnahmen aus den Strafzahlungen der Tempo-Sünder behalten. Die Verwarnungsgelder (bis 20 km/h zu schnell) erhalten sie in voller Höhe, Bußgelder (ab 21 km/h) fließen größtenteils an die Zentrale Bußgeldbehörde, also in die Landeskasse. Neunkirchen meldete 2015 nach einem Jahr Blitzer-Betrieb 780 000 Euro Einnahmen , Saarlouis nahm rund 580 000 Euro ein. Wichtiger als die Einnahmen sind den Kommunen nach eigenen Angaben aber die Erfolge für die Sicherheit. Vor Einführung der Säulen habe es in Saarlouis an allen fünf Standorten pro Tag mehr als 5000 Tempo-Überschreitungen gegeben, sagt Stadt-Sprecher Sascha Schmidt. Aktuell seien es noch 54. Von einem "deutlichen Rückgang" der Temposünden bis zu 90 Prozent sprechen auch die Städte Neunkirchen und Püttlingen, wo es anfangs ebenso "emotionale Diskussionen" seitens der Bürger gegeben habe, berichtet Bernd Bläs, Fachbereichsleiter im Püttlinger Rathaus. "Mittlerweile haben wir einen Gewöhnungseffekt und ziehen eine positive Bilanz." Die Standorte werden in Püttlingen regelmäßig überprüft, 2014 wurden gar zwei Blitzer abgebaut, weil sie sich dort "als nicht notwendig" erwiesen.

Der ADAC bleibt skeptisch. "Stationäre Blitzer machen absolut Sinn", sagt Wilfried Pukallus, Verkehrs-Experte des Autoclubs im Saarland. "Aber nur, wenn sie an einem Unfall-Schwerpunkt oder im Umfeld von Schulen, Kindergärten oder Krankenhäusern aufgestellt sind." So mancher stationäre Blitzer, den die Kommunen im Saarland aufstellten, sei indes "fragwürdig" positioniert - an Ausfallstraßen, wo weit und breit keine Schule stehe. Nicht überall sei zudem die Polizei in die Planung der Standorte eingebunden, kritisiert der ADAC .

Die Camphauser Straße in Saarbrücken sei aber, obwohl Ausfallstraße, "gerade noch nachvollziehbar" - um die Verkehrssicherheit für Autofahrer und die Besucher der Saarlandhalle zu sichern. Auch die Stadt Saarbrücken hofft jetzt auf die positiven Zahlen, die andere Kommunen melden. "Damit die Straßen sicherer werden."

Meinung:

Vernunft und Finanzen

Von SZ-Redakteur Thomas Schäfer

Abzocke ", "Skandal", "Sauerei" - all das kommt einem mit Blick auf die vielen festen Blitzer im Land schnell über die Lippen. Doch die Lage ist wie so vieles im Leben komplizierter. Es gibt bei diesem Thema passend zu den selten vorteilhaften Fotos etliche Graustufen. Rasen ist eine der häufigsten Unfallursachen. Kein vernünftig denkender Mensch kann etwas dagegen haben, wenn die Sicherheit auf den Straßen erhöht wird. Andererseits haben, auch wenn hartnäckig das Gegenteil behauptet wird, die Kommunen handfeste finanzielle Interessen. Für alle Einheimischen aber zumindest gilt, dass sie nach kurzer Zeit wissen, wo die Fallen warten. Wer in seinem Heimatort von derselben Säule mehr als zweimal geblitzt wird, sollte besser überdenken, ob er beim Autofahren wirklich alle Sinne beisammen hat.

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