Salah Abdeslams Rückzieher vom Attentat

Paris · Nach der Festnahme des Hauptverdächtigen der Pariser Anschläge, Salah Abdeslam, sind in Frankreich noch viele Fragen offen. Vor allem, warum der 26-Jährige sich nicht wie seine Komplizen in die Luft sprengte.

François Molins tritt normalerweise vor die Mikrophone, wenn in Frankreich ein Anschlag passiert ist. Doch am Samstagabend war es ein erfreulicher Anlass, über den der Staatsanwalt 15 Minuten lang sprach: die Festnahme von Salah Abdeslam, dem seit den Attentaten von Paris meistgesuchten Terroristen Europas. Tags zuvor hatte die Polizei den 26-Jährigen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gefasst. "Salah Abdeslam ist eine Schlüsselfigur der Anschläge von Paris ", sagte Molins. Der Festgenommene habe eine zentrale Rolle bei der Zusammenstellung der Terrorgruppen des 13. November und bei der logistischen Vorbereitung gehabt. "Er sollte sich vor dem Stade de France in die Luft sprengen und hat einen Rückzieher gemacht", verkündete Molins die Erkenntnisse des ersten Verhörs von Abdeslam in Belgien.

In seiner gewohnt nüchternen Art zeichnete Molins den Weg von Abdeslam in den Monaten vor den Anschlägen nach, bei denen 130 Menschen ums Leben kamen und 350 verletzt wurden. Bei mehreren Reisen durch Europa habe der Islamist Gesinnungsgenossen abgeholt. Eine der Reisen führte ihn Anfang Oktober auch nach Ulm. Sein Fahrzeug wurde in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft gesehen, in der hinterher drei Männer vermisst wurden. Auch bei der konkreten Vorbereitung der Anschläge auf das Stade de France, den Konzertsaal Bataclan und mehrere Kneipen war der Franzose, der in Brüssel aufwuchs, eine zentrale Figur. So kaufte er Fernzünder und einen Bestandteil des Sprengstoffs TATP, den die Attentäter einsetzten. Außerdem mietete der Islamist sowohl den schwarzen Clio, mit dem er die Angreifer zum Stade de France fuhr, als auch den Polo, den die Attentäter des Bataclan benutzten. Auch die konspirative Wohnung in Alfortville bei Paris lief auf seinen Namen.

Am Abend des 13. November schien Abdeslam allerdings seine Pläne zu ändern. Der Attentäter stellte den Clio an der Porte de Clignancourt im 18. Pariser Stadtbezirk ab und flüchtete dann nach Montrouge im Süden der Hauptstadt, wo er seinen Sprengstoffgürtel in den Müll warf. Im 18. Arrondissement war laut dem Bekennerschreiben der Terrororganisation Islamischer Staat ein weiteres Attentat geplant. Aber Abdeslam ließ sich stattdessen von zwei Komplizen aus Belgien mit dem Auto abholen und erreichte am 14. November. In Brüssel ging er erst mal zum Friseur, um sein Aussehen zu ändern, und versteckte sich dann mehr als vier Monate lang in Molenbeek.

Rund hundert Durchsuchungen und 58 Festnehmen in seinem Umfeld zählte die belgische Regierung in den 126 Tagen der Suche auf. Den Durchbruch brachte eine Razzia in einer leer geglaubten Wohnung im Brüsseler Stadtteil Forest am Dienstag. Auf einem Glas fanden die Ermittler die Fingerabdrücke von Abdeslam. Der rief wenige Stunden später einen seiner Komplizen an - und wies damit der belgischen Polizei den Weg in die Rue des Quatre-Vents, wo er am Freitag dann festgenommen wurde.

Frankreich will dem 26-Jährigen jetzt den Prozess machen. Das Land hat bereits die Auslieferung des IS-Mannes beantragt.

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