Bayern macht Schluss mit G 8

München/Saarbrücken · Die Kehrtwende zum Abi nach neun Jahren macht derzeit Schule.

(/) Horst Seehofers Worte hallen immer noch nach. "Es wird kein G 9 geben", sagte der bayerische Ministerpräsident zu Beginn der laufenden Legislaturperiode im Landtag. Das war im Dezember 2013. Doch nun scheinen sich die Zeiten geändert zu haben: Am heutigen Mittwoch will die CSU-Fraktion nach einem langen, oft quälenden Prozess das Zurück zum neunjährigen Gymnasium beschließen. Ein erstaunlicher Schritt für ein Land, das abermals als Musterschüler aus PISA-Tests hervorging und sich seit jeher dem Leistungsgedanken verschrieben hat.

Doch Bayern ist mit der Entscheidung nicht allein: Nachdem sich zu Beginn fast alle Bundesländer dem internationalen G 8-Standard angeschlossen hatten, gab es zuletzt in einigen Ländern eine teilweise oder vollständige Rückkehr zum G 9. Niedersachsen ist wieder komplett beim G 9 - leistungsstarke Schüler haben aber weiter die Möglichkeit, ein Jahr früher Abi zu machen. Eine ähnliche Linie fährt Rheinland-Pfalz. Das Land hält insgesamt an G 9 fest, bietet an einigen Gymnasien aber die Möglichkeit, den achtjährigen Bildungsweg einzuschlagen.

Im Saarland herrscht an Gemeinschaftsschulen Wahlfreiheit, an den Gymnasien ist G 8 Pflicht - noch, denn die SPD brachte vor der Wahl die Rückkehr zu G 9 ins Spiel. Die CDU hält dagegen - in den anstehenden Koalitionsverhandlungen wird darüber verhandelt (siehe Text unten).

Uneingeschränkte Wahlfreiheit bieten Hessen und Schleswig-Holstein. In Baden-Württemberg wird G 9 in 44 Schulen erprobt. In den ostdeutschen Ländern ist G 8 Standard. Nordrhein-Westfalen bietet beide Optionen: G 8 an Gymnasien und G 9 an weiteren Schulen. Dort läuft zurzeit das erste Volksbegehren seit fast 40 Jahren - gegen G 8. Die Organisatoren von der Initiative "G9-jetzt" beklagen eine zu hohe Unterrichtsbelastung durch die verkürzte Schulzeit. Um Erfolg zu haben, müssen sie bis zum 4. Januar 2018 Unterschriften von knapp 1,1 Millionen wahlberechtigten Bürgern zusammenbekommen. Die Entscheidung in Bayern könnte dem Volksbegehren in NRW einen Schub verleihen.

Der Protest kommt nicht von ungefähr: Laut einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes hat sich die Zahl der minderjährigen Studienanfänger in Deutschland innerhalb weniger Jahre mehr als verdreifacht. Im Studienjahr 2015 schrieben sich 3737 Studenten unter 18 Jahren an den Hochschulen neu ein.

Mit der Rückkehr zu G 9 macht Seehofers CSU eine Hau-Ruck-Entscheidung des früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber rückgängig: Zum Schuljahr 2004/05 war G 8 in Bayern an den Start gegangen - ein Schnellschuss. Anlass für die Reform war der späte Berufseinstieg von Akademikern, etwa wegen der Wehrpflicht. Als "überstürzt" bezeichnet auch der saarländische Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) die Einführung von G 8 im Saarland. Das "Turbo-Abi", wie es die Gegner schimpfen, gibt es hier seit 2001.

In Bayern war die Reform von Anfang an unausgegoren: Das Gymnasium blieb über die Jahre eine große Baustelle. Im Herbst 2014 begann der langsame Abschied von G 8: Die CSU beschloss die Einführung einer "Mittelstufe plus" zum Schuljahr 2015/16 - wenn auch nur an 47 Pilot-Gymnasien. Doch dort haben Schüler seither die Möglichkeit, zwischen acht- und neunjährigen Zügen zu wählen. Zwei Drittel entschieden sich für die neunjährige Variante. Damit war das Tor Richtung G 9 aufgestoßen.

Nun soll es in Bayern nicht nur eine Gymnasialreform geben, sondern gleich ein ganzes Bildungspaket. Es gibt nicht nur 1000 neue Lehrer fürs Gymnasium, die dort im Endausbau des neuen G 9 benötigt werden, sondern auch 800 Stellen für alle anderen Schularten, etwa für berufliche und Förderschulen. Am neuen G 9 in Bayern soll es eine sogenannte Überholspur für Schüler geben, die das Abitur auch weiterhin nach acht Jahren ablegen wollen. Diese sollen zwei Jahre lang Zusatzkurse besuchen und dann die elfte Klasse auslassen dürfen. Dass das Paket heute beschlossen wird, steht so gut wie fest. Das Gesetzgebungsverfahren ist dann nur noch Formsache. Startdatum ist das Schuljahr 2018/19, für die Klassen fünf und sechs.

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