Diffizile Detailarbeit zur Rettung der Erde

Marrakesch · Auf der Klimakonferenz von Paris hat die Welt sich ein Ziel gegeben. In Marrakesch will sie beginnen, am Fahrplan zu mehr Klimaschutz zu arbeiten. Nun müssen die Experten richtig tüfteln.

Donnernder Applaus, Jubelrufe: Selten enden internationale Treffen in solch kollektivem Freudentaumel wie der Pariser Klimagipfel 2015. Im Vergleich dazu wird die Konferenz, die heute im marokkanischen Marrakesch beginnt, eine nüchterne Angelegenheit - aber eine wichtige. "Dieses Jahr müssen die Regierungschefs ihre Schaufeln in die Hand nehmen und mit der Arbeit anfangen", sagt Andrew Steer von der US-Denkfabrik World Resources Institute. Das heißt aber nicht, dass "Marrakesch " unwichtig wäre. Denn nun muss die Vision von Paris, die Erderwärmung auf "deutlich unter zwei Grad" oder besser noch auf 1,5 Grad zu begrenzen, ausbuchstabiert werden. "In Marrakesch muss ein klarer Fahrplan entwickelt werden, wann und wie jedes Land seine Fortschritte im Klimaschutz belegt und beschleunigt", erklärt Martin Kaiser von Greenpeace .

Das nächste wichtige Datum nämlich ist 2018. Dann soll erneut Bilanz gezogen werden - und auf dieser Grundlage legen die Staaten der Welt 2020 neue Ziele vor. Wenn Klimapolitik eine große Rechenübung im Kohlendioxid-Sparen ist, dann soll Marrakesch damit beginnen, Regeln auszuarbeiten, damit niemand mogelt oder sich verkalkuliert.

Die USA oder die EU haben relativ einfach strukturierte Ziele. So soll der Ausstoß an Treibhausgasen in Europa bis 2030 um 40 Prozent sinken im Vergleich zu 1990. Entwicklungsländer können ihr Ziel ähnlich formulieren oder auch ihre Emissionen ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung oder zur Bevölkerungsgröße setzen. Aber wie macht man das vergleichbar? Und wie vermeidet man, dass Klimaschutzanstrengungen doppelt abgerechnet werden? Da es in Marrakesch viel um solche Buchführungsprobleme gehen wird, tun sich Beobachter schwer mit der Frage, was die Konferenz zu einem Erfolg machen würde. "Es dürfte nicht so leicht wie sonst sein, schnell Ergebnisse aufzulisten und Fortschritte festzustellen", räumt Elliot Diringer vom Center for Climate and Energy Solutions ein.

Doch gerade die diffizile Detailarbeit, die Marrakesch in die Wege leiten soll, ist enorm wichtig. Schlampige Buchführung kann sich die Erde nicht mehr leisten. "Heute ist die Welt schon ein Grad wärmer als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wir sind auf halbem Weg zur kritischen Zwei-Grad-Schwelle", warnt der Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie, Petteri Taalas. Wenn die Länder ihren Treibhausgas-Ausstoß nur so weit verminderten, wie es bisher in ihren nationalen Klimazielen angekündigt wurde, reiche das womöglich nicht, um einen Anstieg um drei Grad zu verhindern.

Dennoch sehen viele Klimaschützer das Glas derzeit mehr voll als leer. So trat das Paris-Abkommen schon am Freitag in Kraft, kein Jahr nach dem Beschluss. So viel Unterstützung hat ein internationaler Vertrag selten erhalten. Und kürzlich hat sich die Welt auf die Abschaffung der in Kühlschränken und Klimaanlagen verwendeten Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) geeinigt. Allein das könnte helfen, ein halbes Grad Erderwärmung "einzusparen". Bisher hält die Pariser Aufbruchstimmung an.

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Hintergrund Kurz vor der geplanten Verabschiedung des Klimaschutzplans 2050 am Mittwoch im Bundeskabinett wird das Tauziehen um das Papier immer verbissener. Während das Umweltministerium gestern vermeldete, die Gespräche mit den anderen Ministerien verliefen "konstruktiv und lösungsorientiert", verlangte der CDU-Wirtschaftsrat eine Verschiebung der Entscheidung. In einem Positionspapier, das der SZ vorliegt, wird ein Kabinettsbeschluss als "voreilig" und "Schnellschuss" bezeichnet. Hier solle ein "deutscher Sonderweg" zementiert werden, heißt es. Zunächst müssten aber die deutschen und europäischen Klimaziele wieder in Einklang gebracht werden, wird gefordert. Würde der Klimaschutzplan am Mittwoch nicht verabschiedet, könnte Berlin bei der Weltklimakonferenz in Marrakesch keinen eigenen Umsetzungsplan vorweisen. wk

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