Die Flucht endet im Leipziger Plattenbau

Leipzig · Elitepolizisten ist er entwischt. Nach zwei Tagen endet die Flucht von Dschaber al-Bakr, der einen Terror-Anschlag auf einen Flughafen in Berlin geplant haben soll, in einem Leipziger Plattenbau. Diesmal ist er schon gefesselt, als Beamte ihn abholen.

 Die Polizei suchte Dschaber al-Bakr mit einem Großaufgebot: Geschnappt haben ihn drei Syrer in diesem Leipziger Hochhaus. Fotos: dpa

Die Polizei suchte Dschaber al-Bakr mit einem Großaufgebot: Geschnappt haben ihn drei Syrer in diesem Leipziger Hochhaus. Fotos: dpa

Vom Schirm der Sicherheitsbehörden verschwunden, der Polizei entwischt: Nach zwei Tagen europaweiter Fahndung ist Dschaber al-Bakr, ein syrischer Flüchtling unter Terrorverdacht, gefasst. Zu verdanken ist das dem mehrsprachigen Aufruf der Polizei bei Facebook und Twitter und drei beherzten Landsleuten. "Der Tatverdächtige ist uns in gefesseltem Zustand übergeben worden", sagt der Präsident des sächsischen Landeskriminalamtes (LKA), Jörg Michaelis, am Montag in Dresden. Wenige Stunden zuvor haben Polizisten den 22-Jährigen, der ein Sprengstoffattentat auf einen Flughafen in Berlin vorbereitet haben soll, in einer Wohnung im Plattenbauviertel Leipzig-Paunsdorf abgeholt. Was war geschehen?

Kurz vor Mitternacht kommt ein Syrer in das Polizeirevier Südwest am anderen Ende der Stadt. Er zeigt ein Handyfoto von einem Mann in seiner Wohnung, den er und ein Freund für den gesuchten Dschaber al-Bakr halten, wie Mohammed A. bei RTL erzählt. Wenig später holen Polizisten den Gesuchten in der fast 20 Kilometer entfernten Hartriegelstraße 14 ab, noch bevor das SEK eintrifft. Der Terrorverdächtige , dessen Festnahme zwei Tage zuvor in Chemnitz missglückte, leistet keinen Widerstand. Dschaber al-Bakr wird in die Polizeidirektion Leipzig gebracht. Die Ermittler sind sicher: Er ist es. Wo sich der Syrer seit Freitag aufgehalten hat, können sie bisher nicht sagen.

Auch zu den Umständen seiner Flucht aus dem DDR-Neubaugebiet in Chemnitz geben die Behörden keine Auskunft. Bis Freitag soll er sich dort noch in einer Wohnung aufgehalten haben. Als die am Samstag von Spezialeinsatzkräften gestürmt wird, ist sie leer. Und die Ermittler sind nicht sicher, ob er der Mann war, der zuvor aus dem Haus gekommen und nach einem Warnschuss geflüchtet war. Al-Bakr war im Februar 2015 über München nach Deutschland gekommen.

Wie Mohammed A. erzählt, hat der 22-Jährige ihn am Leipziger Hauptbahnhof gefragt, ob er bei ihm übernachten könne. Als er dann den Fahndungsaufruf im Internet sah, holte er einen Freund und sie fesselten Al-Bakr mit einem Stromkabel. Die Polizei habe am Telefon zunächst nicht verstanden, dass sie den Terrorverdächtigen haben. So wurde Mohammed A. losgeschickt, um ihren "Fang" mit einem Foto zu beweisen.

Die Polizei hatte den Fahndungsaufruf am Samstag auch auf Englisch und Arabisch verbreitet. "Solche wie er müssen aus dem Verkehr gezogen werden", sagt ein Nachbar aus dem Erdgeschoss am Morgen danach über Al-Bakr. Der Mann, selbst Syrer, kannte die Bewohner aus der obersten Etage vom Sehen. Der Einsatz in der Nacht hat die Menschen im Plattenbauviertel aufgeschreckt, obwohl Polizei dort häufiger präsent ist.

Der kreisende Helikopter um Mitternacht hat nicht nur einer älteren Dame den Schlaf geraubt, sie wohnt im Block gegenüber. "Es ist eigentlich eine ruhige Wohngegend hier, Probleme gibt es meist nur mit Betrunkenen."

Dschaber Al-Bakr wollte sich freikaufen. "Wir haben gesagt, Du kannst uns so viel Geld geben wie Du willst, wir lassen Dich nicht frei", sagt Mohammed A. "Ich war total wütend auf ihn. So etwas akzeptiere ich nicht - gerade hier in Deutschland, dem Land, das uns die Türen geöffnet hat."

 Mit Schutzweste und Schnellfeuergewehr im Anschlag jagte die Polizei den Terrorverdächtigen.

Mit Schutzweste und Schnellfeuergewehr im Anschlag jagte die Polizei den Terrorverdächtigen.

"Wir sind geschafft, aber überglücklich", feiert die Polizei über Twitter gut sechs Stunden nach Mitternacht die Festnahme des als gefährlich eingestuften Syrers. Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz wollte der Verdächtige wohl einen Flughafen in Berlin attackieren. "Wir hatten Hinweise, dass er zunächst einmal Züge in Deutschland angreifen wollte. Zuletzt konkretisierte sich dies mit Blick auf Flughäfen in Berlin", sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen gestern der ARD . Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU ) lobt den "mutigen und verantwortungsbewussten syrischen Mitbürger". Das LKA ist zurückhaltender. Dort gelten sie als Zeugen. Wie sie in Kontakt zum 22-Jährigen kamen, werde noch untersucht.

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