Imame unter Spionage-Verdacht

Köln/Saarbrücken · Der Islam-Verband Ditib ist umstritten – auch im Saarland.

Der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln wird Spionage für die türkische Regierung vorgeworfen. Gestern gab es Razzien. Auch im Saarland ist die Organisation aktiv. Grafik: Robby Lorenz

Der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln wird Spionage für die türkische Regierung vorgeworfen. Gestern gab es Razzien. Auch im Saarland ist die Organisation aktiv. Grafik: Robby Lorenz

Der Vorwurf wiegt schwer: Imame des türkischen Islam-Verbandes Ditib sollen Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert haben. Gestern nun schlug die Bundesanwaltschaft zu und ließ Wohnungen von Verdächtigen durchsuchen: Dabei wurde in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bei vier Imamen Beweismaterial sichergestellt, darunter Kommunikationsmittel, Datenträger und schriftliche Unterlagen. Der Verband hatte die Spitzeleien bereits vor einem Monat eingeräumt.

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln ist mit rund 900 Moscheegemeinden der größte Islamverband in Deutschland und kooperiert eng mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara. Diese entsendet und bezahlt die Imame für die deutschen Gemeinden. Ditib selbst erklärte nach den Durchsuchungen, man werde den Generalbundesanwalt bei der Aufklärung der Vorwürfe unterstützten. Zugleich wurde in einer Stellungnahme des Bundesverbandes Kritik laut: "Die Durchsuchungen von Privatwohnungen von muslimischen Geistlichen haben in der muslimischen Gemeinschaft zu Irritationen geführt, zumal Ditib seit Bekanntwerden der Vorwürfe intensiv um Aufklärung bemüht ist." Generalsekretär Bekir Alboga hatte kürzlich Konsequenzen aus den Vorwürfen angekündigt. Konkrete Schritte wurden aber bislang nicht bekannt.

Spätestens seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli vergangenen Jahres, für den der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Prediger Fethullah Gülen und dessen Bewegung verantwortlich macht, wird die enge Verquickung der Ditib mit der türkischen Regierung kritisch gesehen. Niedersachsen legte nach den Spitzel-Vorwürfen die Verhandlungen um einen Staatsvertrag mit den islamischen Verbänden auf Eis. In Nordrhein-Westfalen ruht die Mitgliedschaft im Beirat für den islamischen Religionsunterricht.

Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) warnte bereits im vergangenen August davor, innertürkische Konflikte nach Deutschland zu tragen. "Mir bereitet es Sorge, dass die innenpolitischen Verwerfungen und Diskussionen in der Türkei zunehmend ihren Niederschlag auch hier in Deutschland finden", sagte sie. Dennoch lehnte sie es damals ab, Gespräche mit Ditib zu kippen. Der Landesverband sei bisher immer "ein wichtiger und auch verlässlicher Partner" etwa bei Fragen zum islamischen Religionsunterricht gewesen.

Der in Saarbrücken ansässige Verband distanzierte sich denn gestern auch von den Vorgängen in NRW und Rheinland-Pfalz. Im Saarland ist Ditib auch nur einer von insgesamt sechs muslimischen Vereinen, die an einer Arbeitsgruppe für islamischen Religionsunterricht beteiligt sind. Anders als andere Bundesländer habe man "von Anfang an auf eine ausgewogene Repräsentanz aller muslimischen Verbände gesetzt", hieß es gestern aus dem Bildungsministerium. Die künftige Zusammenarbeit mit Ditib will Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) auch nicht infrage stellen. Bislang habe kein Vertreter "in irgendeiner Form eine Veranlassung gegeben, die Zusammenarbeit zu beenden". Zudem unterrichteten im Saarland keine Imame, sondern "zwei bewährte Lehrkräfte im Landesdienst und seit 1. Februar 2017 zusätzlich eine angestellte Lehrkraft", erklärte der Minister. Sie alle stünden für die Einhaltung aller rechtlichen und pädagogischen Grundsätze ein.

Weitaus kritischer wird Ditib hingegen vom Saarländischen Flüchtlingsrat und der Aktion 3. Welt Saar gesehen. Bereits im November vergangenen Jahres forderten sie die Landesregierung auf, die Zusammenarbeit mit der Ditib beim Islam-Unterricht auf kommunaler und Landesebene auszusetzen, da der Verband dem Regime des türkischen Präsidenten Erdogan direkt unterstellt sei.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) scheint dies ähnlich zu sehen. Zumindest forderte er den Ditib-Bundesverband gestern zu größerer Unabhängigkeit auf. Der Einfluss des türkischen Staates auf Ditib sei zu groß, sagte Maas. Er appellierte an den Verband, seine Satzung zu ändern, die die enge Verbindung zur türkischen Religionsbehörde Diyanet festschreibt. Ditib müsse sich glaubhaft von Ankara lösen, sagte der Justizminister.

Grüne und Linke, die die Spitzelvorwürfe in den vergangenen Wochen auch auf die Tagesordnung des Bundestags gebracht hatten, kritisierten, die Bundesanwaltschaft habe zu spät gehandelt. Ein Teil der Imame sei schon wieder in die Türkei abgezogen worden, sagte der religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort