Wird die NPD morgen endgültig verboten?

Karlsruhe · Die rechtsextreme NPD sehen viele als Partei im Niedergang. Dass das Bundesverfassungsgericht trotzdem ein Verbot ausspricht, scheint inzwischen selbst mancher Antragsteller zu bezweifeln. Geschichte schreiben wird das Urteil in jedem Fall.

Wird die NPD verboten - oder doch nicht? Die Antwort bringt der morgige Dienstag. Seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten, ist keine Urteilsverkündung am Bundesverfassungsgericht mit so viel Spannung und Spekulation erwartet worden. Das Absurde ist nur: Der Termin holt eine Partei zurück ins Rampenlicht, die in der politischen Landschaft derzeit keine sichtbare Größe ist.

2013, als die Länder über den Bundesrat den Verbotsantrag auf den Weg bringen, ist die Welt noch eine andere. Das Entsetzen darüber, dass der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) über Jahre unbehelligt Menschen ermorden konnte, ist frisch. Das politische Gesicht des Rechtsextremismus ist die NPD. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mischt die in den 2000er Jahren erstarkte Partei mit mehreren Abgeordneten in der Landespolitik mit.

Noch gibt es keine Pegida-Bewegung, keine Flüchtlingskrise. Niemand ahnt, dass eine Partei namens AfD Anfang 2017 in Umfragen klar über die Zehn-Prozent-Marke kommen wird. Heute sieht es so aus, als ob die NPD in diesen Umwälzungen ganz von selbst unter die Räder gekommen ist. Im September ist sie in Schwerin aus dem letzten Landtag geflogen. Die AfD holte 20,8 Prozent. Was also soll jetzt noch ein Parteiverbot? Und wäre es vor dem Grundgesetz überhaupt zu rechtfertigen?

Nicht ohne Grund nennt Ge- richtspräsident Andreas Voßkuhle zum Auftakt der drei Verhandlungstage im März 2016 das Verbotsverfahren ein "ebenso scharfes wie zweischneidiges Schwert, das mit Bedacht geführt werden muss". Scharf, denn: Eine verbotene Partei muss sich auflösen, ihre Mandate abgeben, kann ihr Vermögen verlieren. Zweischneidig, denn: Müsste die Demokratie nicht stark genug sein, sich anders zu wehren? Die Verhandlung hat aufgedeckt, wo die Probleme liegen. Ja, da sind die Momente, in denen die NPD mit ihrem Anwalt Peter Richter die Maske fallen lässt und ihr hässliches Gesicht zeigt. Dann ist das Gerede von "Abstammungsdeutschen", "Ermessenseinbürgerung" und dem Islam als einer "fremdkörperhaften Aggressionsreligion" nur schwer zu ertragen. Der Extremismusforscher Steffen Kailitz trägt dem Zweiten Senat vor, wie die NPD bei ihrer geplanten "Ausländerrückführung" bis zu elf Millionen "nicht germanischstämmige" Menschen aus dem Land vertreiben will.

Aber haben die Rechtsextremen die Kraft, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen? Für die Richter scheint das die zentrale Frage. Denn das Grundgesetz erlaubt allein das Verbot von Parteien, die "darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen". Festgemacht wird das seit den 1950er Jahren an einer "aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung". Das Straßburger Menschenrechtsgericht verlangt sogar Hinweise darauf, dass ein bevorstehender Angriff auf die Demokratie droht.

Die NPD hat gut 5000 Mitglieder und kämpft gegen den Ruin. Entsprechend kritisch hinterfragten die Richter den Verbotsantrag: Warum ausgerechnet jetzt, wo die Verfassungsschutzberichte das Bild einer kaum handlungsfähigen Partei im Niedergang zeichnen? Hält die NPD nicht nur 0,15 Prozent aller Kommunalmandate? Und vor allem: Wenn die Partei so gefährlich ist - warum gelingt es ihr dann nicht, aus der Flüchtlingskrise Profit zu schlagen? Ein Verbot müssten mindestens sechs Richter mittragen - eine Maßgabe, die umso schwerer wiegt, als Herbert Landau in der Zwischenzeit ausgeschieden ist. Der Senat entscheidet deshalb zu siebt statt zu acht. Nur ein Richter dürfte anderer Meinung sein. Es kommt also nicht allzu überraschend, dass sich vor der Urteilsverkündung Berichte mehren, die auf ein Scheitern des Verfahrens einstimmen. Medien zitieren aus einer internen Einschätzung der Bundesregierung, wonach diese die NPD nicht für ausreichend gefährlich hält. Und auch die Initiatoren aus den Ländern scheinen nicht mehr an ihre Sache zu glauben. Zumindest gibt die "Berliner Zeitung" einen nicht näher bezeichneten Insider mit den Worten wieder: "Wir sind nicht wahnsinnig optimistisch."

Politisch wäre das einigermaßen blamabel. Denn schon der erste NPD -Verbotsantrag führte nicht zum Erfolg - 2003 platzte das Verfahren, weil ans Licht kam, dass die Partei bis in die Spitze mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Aus diesen Fehlern hat man gelernt: Dieses Mal sahen die Richter die Voraussetzungen erfüllt, um die Sache bis zu einem Urteil zu prüfen. Schon deshalb dürfte am Ende weit mehr stehen als ein "Persilschein" für die NPD. Zuletzt hat Karlsruhe 1956 die KPD verboten, mit 308 Druckseiten das bis heute längste Urteil. Der Senat dürfte die Herausforderung annehmen, in ähnlichem Umfang Maßstäbe dafür zu entwickeln, wie die Demokratie mit Parteien umgehen will, die ihre Freiräume über die Maßen strapazieren.

Was für und gegen ein Verbot spricht

Wie sehr schadet die NPD dem Ansehen Deutschlands in der Welt?

Ob es in Karlsruhe für ein Verbot der NPD reicht, ist kurz vor dem Urteil ungewiss. Am Für und Wi- der scheiden sich seit Jahren die Geister. Die wichtigsten Argu- mente beider Seiten:

Pro: Aus Sicht der Befürworter darf es eine Gesellschaft nicht hinnehmen, wenn eine Partei offen menschenverachtende Reden schwingt. Es könne nicht sein, dass die NPD über die Parteienfinanzierung von Steuergeldern profitiere und das Recht habe, auf öffentlichen Plätzen zu demonstrieren. Sie sei eng mit der gewaltbereiten Szene verwoben und stehe auch hinter Protesten gegen Flüchtlinge. Gerade vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus beschädige eine solche Partei das Ansehen Deutschlands. Ein Verbot wäre demnach nicht nur ein wichtiges politisches Signal. Durch die Zerschlagung von Parteistruktur und -vermögen schwäche es auch den Rechtsextremismus insgesamt.

 Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, hier Peter Müller (links) und Präsident Andreas Voßkuhle, steht im Fokus. Foto: dpa

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, hier Peter Müller (links) und Präsident Andreas Voßkuhle, steht im Fokus. Foto: dpa

Foto: dpa

Kontra: Die Gegner meinen, dass ein Verbot nur auf den ersten Blick die beste Lösung sei. Von Anfang an warnten sie vor dem Risiko, dass die verfassungsrechtlichen Hürden zu hoch sein könnten. Scheitere auch der zweite Anlauf, könnte die NPD das Urteil dann als eine Art "Persilschein" vor sich her tragen. Überhaupt wäre das Verbot einer derart kleinen Partei so, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen. Die Möglichkeiten einer politischen Bekämpfung seien nicht ausgeschöpft. Offene Auseinandersetzung, Aufklärung und Prävention seien der bessere Weg. Durch ein Verbot gebe es auch nicht weniger Rechtsextreme. Sie würden nur in andere Gruppierungen ausweichen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort