Merkels Mantra

Die Kanzlerin wirkt nicht verunsichert bei ihrer großen Sommerpressekonferenz in Berlin. Auch nicht durch die Terrorwelle. Gleich zu Beginn erinnert sie an ihren Satz vom letzten Jahr: "Wir schaffen das". Und aktualisiert ihn jetzt: "Wir werden auch diese Herausforderung bewältigen."

Offen schaut Angela Merkel jeden Fragesteller an. 300 Journalisten und 50 Kameras beobachten sie. Allerdings ist der Regierungschefin nicht nach Witzchen zu Mute. Nur als sie gefragt wird, ob sie erschöpft sei angesichts all der Herausforderungen, rutscht ihr ein ironisches "Ich bin nicht unausgelastet, sagen wir es mal so" heraus. Sie grinst dabei leicht. Aber ob das jetzt die größte Krise sei, "och", das könne sie gar nicht sagen. Alle waren groß: Euro-Rettung, Banken-Rettung, Fukushima, die Flüchtlinge . Wie Merkel das so aufzählt, stehen plötzlich zehn Regierungsjahre unter dieser Kanzlerin im Raum. Und man denkt unwillkürlich an Helmut Kohl . Dessen Dickfelligkeit hat sie schon. Die Provokation eines Journalisten, was passieren müsse, "damit Sie einem Neuanfang der Politik nicht mehr im Wege steht" bügelt sie seelenruhig ab. Sehr wohl wisse sie, dass die Menschen verunsichert seien, und dass man den Bürger etwas schuldig sei, nämlich alles für ihre Sicherheit zu tun. Dann blickt sie zum nächsten Fragesteller. Als die 90 Minuten mit Themen wie Terror, Ostrente, Türkei und TTIP, mit Vorwürfen und Fallstricken vorbei sind, sagt Merkel locker: "Ruhig noch drei Fragen mehr." Anders als Kohl ist sie nicht nachtragend bei kritischen Fragen.

Es wäre eine relativ langweilige Pressekonferenz mit geringem Neuigkeitswert gewesen, wenn ihre Entstehungsgeschichte nicht so ungewöhnlich wäre. Denn eigentlich sollte die Veranstaltung gar nicht stattfinden, jedenfalls nicht heute. Noch letzten Freitag hat Regierungssprecher Steffen Seibert die Hauptstadtjournalisten wissen lassen, dass die Kanzlerin dieses Jahr erst nach der Sommerpause zu ihnen komme. Er selbst ist dann in Urlaub gefahren. In Deutschland aber passiert etwas, das Merkel zum Umdenken zwingt. Es ist nicht der Amoklauf von München. Auch nicht der Anschlag von Ansbach. Sondern es sind am Dienstag die massiven Vorwürfe der CSU : Der Satz des Bayernkuriers, Merkel habe das Land mit ihrer Flüchtlingspolitik massiven Sicherheitsrisiken ausgesetzt, der Forderungskatalog, den die Schwesterpartei kurzfristig vorlegt, inklusive Abschiebungen in Krisenländer, Horst Seehofers Interviews am Dienstagmorgen. Mittags geht bei der Bundespressekonferenz seitens des Kanzleramtes die Bitte um einen kurzfristigen Termin ein.

Um aus ihrer Defensive herauszukommen, hat die Kanzlerin zwei Dinge mitgebracht. Eine eigene Liste mit Vorschlägen zur Terrorabwehr. Freilich, es sind fast alles schon bekannte Vorhaben, die jetzt allenfalls beschleunigt werden sollen. Etwa die Aufstockung der Polizei oder die bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane in Europa. Mehrkosten für den Haushalt, räumt die Kanzlerin an anderer Stelle ein, entstehen jedenfalls nicht. Ihre wichtigste Nachricht für das Volk ist auch eine andere: ihre eigene Unerschütterlichkeit. Zwar verstehe sie die Ängste der Menschen, aber sie stehe zu der humanitären Entscheidung, die Flüchtlinge aufzunehmen. Denn sie mache Politik nach Werten. Und damit wisse sie sich mit vielen in Deutschland einig. Mehrfach wiederholt sie das und zitiert Artikel Eins des Grundgesetzes, die Menschenwürde. Nein, es gab keine Fehler, und auch die Tatsache, dass sich Terroristen unter die Flüchtlinge gemischt haben, ist für sie kein Gegenbeweis. Diese Menschen "verhöhnten" die Gastfreundschaft des Landes, sagt sie.

Während ihre Gegner die Anschläge als Begründung nehmen, um spätestens jetzt die liberale Flüchtlingspolitik zu beenden, sieht Merkel den Zusammenhang genau andersherum. Die Terroristen wollten "unsere Art zu leben auf die Probe stellen." Dazu gehöre auch "unsere Bereitschaft Menschen in Not zu aufzunehmen". Und das dürfe man nicht zulassen. Es sei eine "historische Aufgabe" auch an dieser Stelle mit den negativen Folgen der Globalisierung fertig zu werden. "Aber ich bin überzeugt, dass wir es schaffen". Es klingt nicht nach einknicken. Im Gegenteil. "Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig gehandelt zu haben", sagt die Kanzlerin. Man sieht in ihrem Gesicht keinerlei Zweifel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort