Saarländer (21) soll sich der Terrororganisation Islamischer Staat angeschlossen haben

Faisalabad/Saarbrücken · Seine Familie glaubt, das Ali D., der lange in Saarbrücken lebte, bei einem Pakistanbesuch von der Terrormiliz Islamischer Staat entführt wurde. Ermittler gehen davon aus, dass der 21-Jährige sich freiwillig dem IS anschloss.

 Eine Flagge des Islamischen Staates (Symbolfoto).Location:Mossul

Eine Flagge des Islamischen Staates (Symbolfoto).Location:Mossul

Foto: Str (EPA)

Bei der Lagebesprechung im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin wird sich heute ein Beamter des saarländischen Landeskriminalamtes (LKA) zu Wort melden. Der Saar-Ermittler wird einen aktuellen Fall vorstellen und die Experten im GTAZ, in dem alle deutschen Sicherheitsdienste, Geheimdienste und Landeskriminalämter am Tisch sitzen, um ihre Einschätzung zum Fall des 21 Jahre alten Ali D. bitten, der zuletzt in Deutschland in einem Saarbrücker Stadtteil wohnte. Der in Libyen geborene Pakistani, der in Saarbrücken als Metallbauer arbeitete, ist seit Wochen von der Bildfläche verschwunden. Die Fahnder gehen konkreten Hinweisen nach, wonach Ali D., sich in Afghanistan der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen hat. Saar-Kripochef Harald Schnur sagte gestern unserer Zeitung: "Wir sind am ermitteln, suchen Hinweise auf islamistische Hintergründe und eine mögliche Radikalisierung."

Seit Februar ist bekannt, dass Ali D. das Land verlassen hat. Seine Reise führte Mitte Januar über Dubai nach Pakistan - angeblich um Angehörige zu besuchen. Seine Mutter Iftar N. ist zwischenzeitlich auch nach Pakistan gereist. Sie mag noch immer nicht glauben, was für die pakistanische Polizei schon lange feststeht: Dass sich ihr Sohn Ali der IS angeschlossen habe. So ungeheuerlich ist der Verdacht für die Mutter, dass sie ihn schlicht leugnet. "Ich habe keine Gründe zu glauben, dass sich mein Sohn freiwillig dem Dschihad angeschlossen hat, so ist er nie gewesen", sagt die 52-Jährige. In Faisalabad verlieren sich die Spuren ihres Sohnes. "Religion war nie Teil seines Lebens. Er wusste noch nicht einmal, wie man betet", sagt sie.

Ihr Bruder, Mubashir Bashir, hatte vor Wochen seinem Neffen aus dem fernen Saarbrücken einen begeisterten Empfang auf seinem Hof bereitet. Doch die Begeisterung währte nicht lange. Schon einen Monat später soll sich Ali D. radikalen Islamisten in Afghanistan angeschlossen haben. Zwar glaubte die Familie selbst an eine Entführung und meldete das Verschwinden des jungen Mannes Anfang Februar der Polizei , doch diese kam bald zu einem ganz anderen Schluss.

Die Verbindungsdaten von Alis Handy zeigten den Ermittlern zufolge, dass der 21-Jährige regelmäßig in Kontakt mit einem jungen Mann aus Faisalabad stand, der Verbindungen zu Extremisten in Afghanistan unterhielt. "An dem Tag, an dem er verschwand, telefonierten beide mehr als ein Dutzend Mal", sagt der Ermittler Shaukat Ali. Die Ermittler nahmen Alis Kontaktmann, der eine militärische Kampfausbildung in Afghanistan absolviert hat, sowie dessen Bruder und Vater fest. Sie standen zunächst noch unter dem Verdacht, den jungen Mann entführt zu haben. "Aber während der Ermittlungen kamen wir dahinter, dass D. freiwillig nach Afghanistan gegangen ist", sagt ein pakistanischer Polizist. Die Ermittler notierten auch, dass Ali gegenüber einem Cousin Interesse am Dschihad geäußert habe. In pakistanischen Sicherheitskreisen geht man derweil davon aus, dass es sich bei Ali D. um den ersten aus Europa kommenden Unterstützer handelt, der sich der Organisation IS in der Region angeschlossen habe. Ali D. selbst hatte fünf Tage nach seinem Verschwinden bei seiner Familie von Afghanistan aus angerufen und ihnen mitgeteilt, dass er sich dem Islamischen Staat angeschlossen habe. Eines Tages werde er wieder zurückkehren, versprach er. Die Familie ermöglichte es der dpa, eines dieser Gespräche mitzuverfolgen, bei dem auch ein Anführer der Aufständischen zu Wort kam, der sich selbst als Kari Ibrahim vorstellte. Dieser versicherte dem Onkel, dass er keine Einwände erhebe, falls der Neffe gehen wolle.

Alis Familie glaubt noch immer, dass der 21-Jährige entführt und nach Afghanistan gebracht wurde, wo er dann einer Gehirnwäsche unterzogen wurde. Tatsächlich ist nicht klar, wie und wo genau der junge Ali sich radikalisiert haben soll. 2004 kam er mit seiner Familie nach Deutschland, wo sie Asyl beantragte. Zunächst lebte die Familie in Lübeck, bevor sie nach Saarbrücken umzog. 2013 erhielten sie Aufenthaltsgenehmigungen.

Drei von Alis Schwestern sowie zwei Brüder lebten weiterhin in Deutschland, sagt die Mutter, die bald nach Saarbrücken heimkehren wird. Die Staatsschützer der Saar-Polizei sind, so Kripochef Schnur, in Kontakt mit der Familie. Derzeit werten die Beamten die Ermittlungsberichte aus Pakistan aus.

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