Ein Feindbild namens Schulz

Brüssel · Konservative in Brüssel attackieren den SPD-Kanzlerkandidaten scharf. Aber was ist dran an den Enthüllungen – und was nicht?

Wortgewaltig und gestenreich – mit seiner Art begeistert Martin Schulz derzeit viele Deutsche. Und so legte die SPD in Umfragen seit seiner Kandidatur in kurzer Zeit deutlich zu. Foto: Nietfeld/dpa

Wortgewaltig und gestenreich – mit seiner Art begeistert Martin Schulz derzeit viele Deutsche. Und so legte die SPD in Umfragen seit seiner Kandidatur in kurzer Zeit deutlich zu. Foto: Nietfeld/dpa

Foto: Nietfeld/dpa

Für Martin Schulz kam es dicke. Kaum war der frühere EU-Parlamentspräsident von seiner SPD zum Kanzlerkandidaten erhoben worden, sammelten seine politischen Gegner aus dem Lager der Konservativen in Brüssel und Straßburg fleißig Material gegen ihn. Dabei ging es beispielsweise um steuerfreie Tagegelder, die dem Chef der europäischen Volksvertretung für sieben Tage in der Woche (pro Tag 307 Euro) zustehen, was im Jahr immerhin über 100 000 Euro ergibt - zusätzlich zu seinen üblichen Abgeordnetendiäten von über 8000 Euro im Monat. Der Vorwurf: Schulz habe diese Beträge auch während des EU-Wahlkampfes bezogen. Damals trat er als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten an. Dass der SPD-Politiker die Zahlungen tatsächlich hatte aussetzen lassen, betonte er selbst immer wieder. Belege dafür tauchten aber erst jetzt auf.

Dass dem Präsidenten auch zwei Dienstfahrzeuge zur Verfügung standen, die er - so ein weiterer Vorwurf - auch zu Wahlkampfterminen genutzt haben soll, widerlegte der Europäische Rechnungshof in seinem Jahresbericht für 2014.

Trotzdem verstummen die Widersacher des Mannes nicht, dem die Parlamentskollegen eigentlich zugestehen, die häufig in Vergessenheit geratene Abgeordnetenkammer mit kräftigen Worten ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geholt zu haben.

Was von der Kritik an Schulz' Amtsführung aber wirklich bleibt, ist ein im politischen Geschäft eher übliches Verhalten: Kurz vor Ende der Amtszeit werden getreue Vasallen noch mit lukrativen Jobs versorgt. Tatsächlich gelang es Schulz schon im Mai 2016, seinen langjährigen Begleiter und Kabinettschef Markus Winkler zum stellvertretenden Generalsekretär des Parlaments zu machen und seine einstige Beraterin Monika Strasser als Haushaltsdirektorin des Plenums zu installieren. Darüber wurde zum damaligen Zeitpunkt nicht groß geredet, beide Posten waren zu besetzen. Dass ein Parlamentspräsident dabei auf seine Mannschaft zurückgreift, ist nicht ungewöhnlich.

Sehr viel heikler erscheint dagegen die Bestellung eines anderen Beraters zum Mitarbeiter eines Informationsdienstes des Parlaments in Berlin. Der Mann blieb formal in Brüssel angestellt und konnte sein Gehalt dadurch um rund 2200 Euro an Reisespesen aufbessern.

Der Chef der CDU-Abgeordneten im Parlament, Herbert Reul, listete in diesen Tagen weiter auf, dass Schulz während des Europa-Wahlkampfes die meisten Dienstreisen zu sozialdemokratischen Parteien und Organisationen unternahm. Außerdem habe der damalige Präsident seine Mitarbeiter im Abgeordnetenhaus für Wahlkampfzwecke genutzt. Hinzu komme, so Reul weiter, dass Schulz die Blockade des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommens Ceta durch das wallonische Parlament zumindest argumentativ mit anzettelte.

Bisher, so bestätigen allerdings auch einige der politischen Gegner des heutigen Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten für die Bundestagswahl, reiche "das alles aber wohl nicht ernsthaft, um den Mann abzuschießen". Schließlich habe er lediglich Gelder in Anspruch genommen, die ihm de facto zustehen und Posten besetzt, die ein Parlamentschef "nun einmal zu besetzen hat". Und sie räumen ein, dass auch die Schulz-Vorgänger bei der Auswahl von Kandidaten für wichtige Ämter vorrangig Mitarbeiter aus dem eigenen Stab "unterbrachten".

Heißt also: Von einer wirklichen "Bombe", wie sie einige der ehemaligen Kollegen des früheren Parlamentschefs angekündigt hatten, ist also - zumindest bisher - nichts zu sehen.

Zum Thema:

CDU-Vize Klöckner erneuert Kritik an Schulz Julia Klöckner, stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, hält die Kritik aus der Union an SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz für gerechtfertigt. "Ich finde, das ist hysterisch, wie die SPD darauf reagiert. Wir fragen, für welche Inhalte steht der Herr Schulz, Frau Barley antwortet: Hören Sie endlich auf mit der Schmutzkampagne." Klöckner kritisierte auch die Haltung des früheren EU-Parlamentspräsidenten Schulz in EU-Fragen: "Er steht nach wie vor für einen EU-Beitritt der Türkei, das lehnen wir ab", sagte sie. "Er steht für die Transferunion, Vergemeinschaftung der Schulden, das lehnen wir ab."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort