Wie es nach dem Brief aus London jetzt weitergeht

Brüssel · Das Vereinigte Königreich verlässt die EU. Das klingt einfacher als es ist. Denn das Verfahren nach Artikel 50 des Lissabonner Vertrages beinhaltet einige Fallstricke - und einen Zeitrahmen, der praktisch nicht einzuhalten ist. Wie geht es nach dem Brief aus London nun konkret weiter? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wann beginnen denn nun die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens?

Die EU wird sich jetzt erst einmal sammeln. Denn man hat ja stets deutlich gemacht: Bevor der Austritt nicht offiziell nach Artikel 50 beantragt wurde, gibt es keine Vorgespräche. Am 29. April kommen die 27 Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem Sondergipfel zusammen. Dabei will man Leitlinien beschließen, die anschließend von den Fachleuten der Regierungen zu konkreten Verhandlungspositionen erweitert werden. Deshalb geht man davon aus, dass die Verhandlungen erst im Juni starten.

Wie viel Zeit steht zur Verfügung?

Der Vertrag lässt exakt zwei Jahre zu. Demnach würde das Vereinigte Königreich am 29. März 2019 aus der Union ausscheiden. Tatsächlich werden es kaum mehr als 18 Monate sein, die bleiben. Denn noch ist nicht wirklich klar, wer ein Brexit-Abkommen noch ratifizieren muss. Sollte es ein Vertrag sein, der alle Politikbereiche umfasst, müssen - neben dem Unterhaus in London - auch die Parlamente der Mitgliedstaaten zustimmen. Es gibt Bestrebungen, dies zu verhindern - zumindest teilweise. Dazu könnten beide Partner eine Verlängerung beschließen. In Brüssel wird daran gedacht, besonders dringende Punkte wie Zuwanderung und "alte Rechnungen" vorzuziehen. Diese beiden Fragen könnte die EU möglicherweise auch im Alleingang beschließen.

Was muss denn eigentlich alles verhandelt werden?

Gegen das, was Briten und EU wieder trennen müssen, ist ein normales Scheidungsverfahren ein Klacks. Es geht um nicht weniger als 21 000 Gesetze. Wenn man annimmt, dass in 18 Monaten rund 500 Verhandlungstage zur Verfügung stehen, würde das bedeuten, dass man sich an jedem Tag über rund 40 Gesetze einig werden müsste. Dies ist unmöglich. Da scheint es sinnvoll, mit der Gütertrennung zu beginnen.

Könnte der Brexit noch gestoppt werden, etwa wenn in London eine neue Regierung ins Amt käme?

Nein. Nach dem Antrag auf Austritt muss das Verfahren abgeschlossen werden. Viele Briten glauben ja immer noch, man könne gleich wieder eintreten, wenn sich nur die Stimmung ändert. Das ist nicht möglich. London würde dann wie ein normaler Beitrittskandidat behandelt und müsste alle Prüfungen durchlaufen - und käme erst nach den Kandidaten Serbien, Montenegro, Bosnien und Türkei dran.

Könnte Schottland - je nach Ausgang des Referendums - gleich in der EU bleiben?

Das erscheint rechtlich nicht möglich. Schottland ist Mitglied Großbritanniens und tritt deshalb mit aus. Die EU-Kommission kann keine Aufnahmeverhandlungen mit einem Land führen, das noch nicht autonom ist. Deshalb müssten die Schotten zunächst den Austritt aus dem Königreich beschließen, ehe sie in Brüssel vorstellig werden können.

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