Wann kommt das Ende der Zigarette?

Brüssel · Sie sieht einem Handy ähnlich und enthält einen Akku – die neue Iqos-Zigarette von Philip Morris. Während der Tabak normaler Zigaretten bei etwa 800 Grad Celsius verglüht, erhitzt ihn das Gerät auf 350 Grad Celsius.

Der Satz lässt aufhorchen. "Ich glaube, dass schon bald der Zeitpunkt kommen wird, an dem wir das Ende der Zigaretten-Ära einläuten werden." Der dies kürzlich sagte, war niemand Geringeres als der Chef des Weltmarktführers in der Zigarettenbranche, André Calantzopoulos von Philip Morris ("Marlboro "). Und die Kultmarke Gauloises, die zum Tabakmulti Imperial Tobacco gehört, kündigte an, die letzte Zigarettenfabrik in Frankreich zu schließen.

Was ist los? Es deutet viel darauf hin, dass das Jahr 2016 einen Wendepunkt markiert. Bislang war es so: Im lukrativen Geschäft mit den Rauchern waren jahrzehntelang weltweit vier Konzerne tätig - Philip Morris, BAT, JTI und Imperial. Aller Steuererhöhungen zum Trotz haben die vier Giganten sehr gut verdient. Manchmal jagten sie sich gegenseitig Marktanteile ab. Einige Prozentpunkte mehr für die Marke mit dem Kamel, etwas weniger für die mit den Cowboys, oder umgekehrt, ansonsten passierte wenig.

Doch plötzlich kommt Bewegung in die Branche. Immer mehr Raucher steigen auf die E-Zigarette um, bei der Tabak nicht mehr verbrannt wird, sondern nikotinhaltige Chemikalien verdampft und inhaliert werden. 2015 wurden mit E-Zigaretten in Deutschland noch 270 Millionen Euro umgesetzt, 2016 dürfte der Markt die 400 Millionen-Schwelle überschreiten. Rund 2,5 Millionen Menschen greifen in Deutschland inzwischen regelmäßig zur E-Zigarette, bei etwa 15 Millionen Rauchern. Das Geschäft mit dem Dampfen wird zu einem Wirtschaftsfaktor. Bislang hatten das E-Zigaretten-Geschäft vor allem Branchenfremde, Mittelständler und chinesische Produzenten unter sich ausgemacht. Doch jetzt steigen die Multis ein. Die Bewegung in der Branche kommt auch daher, dass Innovationen eine Rolle spielen. Es ist wie vor Jahren beim Kaffee: Plötzlich gibt es neue Technologien zum Konsum eines bekannten Produktes. Philip Morris bringt in diesen Monaten eine technologische Weiterentwicklung der guten alten Zigarette auf den Markt, die Iqos. Technisch ist sie ein Zwischending zwischen der E-Zigarette, die mit Temperaturen von 180 Grad arbeitet, und der klassischen Zigarette: Die Iqos verdampft Tabak mit Hilfe eines elektrischen Mehrweg-Halters bei Temperaturen um 300 Grad Celsius. Der Tabak-Konsum soll dabei weniger gesundheitsschädlich sein als bei Marlboro und Co. Die herkömmliche Zigarette verbrennt den Tabak und kommt dabei auf Temperaturen von 500 bis 800 Grad.

Der Prozess des Verbrennens ist nach Erkenntnissen der Forschung verantwortlich dafür, dass Rauchen krebserregend ist. Dabei entstehen Nitrosamine und Benzpyrene, die unter anderem Lungenkrebs auslösen. Philip Morris hat über ein Jahrzehnt an dieser angeblich weniger schädlichen Zigarette geforscht. Unabhängige Studien dazu gibt es noch nicht. Testweise kam sie 2014 zuerst in Japan auf den Markt, seit diesem Sommer ist sie in München, Berlin und Frankfurt zu haben. Zug um Zug soll sie weltweit eingeführt werden. Philip Morris testet auch beim Vertrieb neue Wege: Die "Marlboro 2.0" wird auch in konzerneigenen Vorzeigegeschäften verkauft. Das erinnert an die Geschäfte in teuren Innenstadtlagen, wo völlig überteuerte Kapseln mit Kaffeepulver verkauft werden. In Bologna wurde eigens eine Fabrik für die risikoreduzierte Zigarette gebaut. Bis zu 30 Milliarden Stück könnten dort im Jahr produziert werden.

Das Kalkül der Philip-Morris-Strategen ist klar: Sie hoffen auf einen Sonderstatus bei der Regulierung. Für konventionelle Zigaretten gelten Werbeverbote. Rauchverbote am Arbeitsplatz, in der Gastronomie und in öffentlichen Verkehrsmitteln drosseln den Konsum. Philip Morris bemüht sich darum, von den US-Behörden die Bestätigung zu bekommen, dass der Konsum von Iqos weniger schädlich ist als das Rauchen herkömmlicher Zigaretten.

In Deutschland ist Philip Morris noch allein mit der angeblich nicht so schädlichen "Marlboro 2.0". Konkurrent BAT soll auf Auslands-Märkten bereits mit einer alternativen Zigarette experimentieren. JTI und Imperial sind laut Branchenexperten noch gar nicht am Markt der nicht so schädlichen Zigaretten aktiv. Dagegen haben sich alle vier Branchenriesen in den Markt der E-Zigaretten eingekauft, vielfach, indem sie kleine Wettbewerber aufgekauft haben. Noch verdienen Philip Morris und Co. Milliarden mit Tabakprodukten, allein in Deutschland greifen 21,7 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahre täglich oder gelegentlich zur Zigarette. In Deutschland ist die Neigung zum Nikotin damit weniger ausgeprägt als im Rest der EU, wo im Schnitt 24 Prozent der Bevölkerung aktive Raucher sind. Spitzenreiter beim Tabakkonsum sind Bulgarien (34,8 Prozent Raucher ) und Griechenland (32,6). In Schweden (16,7) und Großbritannien (17,3) wird am wenigsten geraucht. Doch der Markt ist im freien Fall: Von 2002 bis 2015 ist der Absatz bei der Fabrikzigarette hierzulande um 44 Prozent in die Knie gegangen, von 145 Milliarden Stück im Jahr auf gut 80 Milliarden legal verkaufte und versteuerte Stück.


Beim Dampfen geht der Fiskus leer aus


Der Tabakriese Philip Morris hat eine neue Zigarette auf den Markt gebracht. Steuerrechtlich gilt sie aber als Pfeife. Das Finanzministerium hat eine Erklärung - obwohl ihm dadurch Millionen entgehen.

Die Tabaksteuer war lange eine verlässliche Verbrauchssteuer. Der Konsum von legal versteuerten Zigaretten bricht aber seit einiger Zeit dramatisch ein. Dieser Trend hinterlässt Spuren: Obwohl der Gesetzgeber die Tabaksteuer seit der Jahrtausendwende deutlich angehoben hat, stagniert das Steueraufkommen. 2015 kamen in Deutschland 14,9 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer zusammen, 2010 war es mit 13,49 Milliarden nur etwas weniger.

Die veränderten Konsumgewohnheiten der Raucher werden in Zukunft den Ertrag der Tabaksteuer weiter mindern. Immer mehr Nikotinsüchtige steigen nämlich auf andere Produkte um, die weniger oder gar nicht besteuert werden. So wird auf die E-Zigarette und Liquids, die zum Dampfen benötigt werden, lediglich Mehrwertsteuer erhoben. Das Produkt unterliegt nicht der Tabaksteuer. Die Branche argumentiert, das Steuerprivileg sei berechtigt, weil die E-Zigarette weniger gesundheitsschädlich sei. Nun bringt Philip Morris die Iqos-Zigarette auf den Markt.

Beim Verkaufspreis lehnt sich das neue Tabak-Produkt von Philip Morris an das alte an: Eine Schachtel Iqos mit 20 Zigaretten der neuen Generation kostet sechs Euro - genauso viel wie eine Schachtel Marlboro . Für den Konzern zeichnet sich ein gutes Geschäft ab. Die Iqos wird nämlich nicht wie eine Zigarette besteuert, sondern wie Pfeifentabak. Und für Pfeifentabak zahlt man nur einen Bruchteil der Abgaben, die bei Zigaretten fällig werden.

Konkret sieht es so aus: Bei einer Schachtel Marlboro mit 20 Zigaretten beträgt die Tabaksteuer 3,26 Euro, einschließlich Mehrwertsteuer macht die Steuerlast also 3,88 Euro aus. Eine Schachtel Iqos mit 20 Sticks wird mit 0,88 Euro bei der Tabaksteuer herangezogen, mit Mehrwertsteuer beträgt die Steuerlast 1,05 Euro.

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