Der Kampf der Hacker kann beginnen

Bonn · Die neue Cyber-Armee der Bundeswehr ist seit gestern im Dienst – und soll bis 2021 voll einsatzbereit sein.

 Mit solchen Sprüchen auf Plakaten sucht die Truppe nach Personal für die neue Cyber-Einheit. Foto: Bundeswehr

Mit solchen Sprüchen auf Plakaten sucht die Truppe nach Personal für die neue Cyber-Einheit. Foto: Bundeswehr

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Zu einer ordentlichen Armee gehört auch ordentliche Musik. Und wenn die Armee aus Hackern und Nerds besteht, dann komponiert die Bundeswehr eben einen "Cybermarsch". Der hat nichts mit digitalen Elektrobeats zu tun, sondern kommt ganz klassisch daher, mit Trompeten, Posaunen, Klarinetten. Ein Hauptfeldwebel hat ihn komponiert. Ein Militärmarsch im 6/8-Takt, recht beschwingt-fröhlich. "Akustisch ein erstes eindrucksvolles Markenzeichen", lobt der Drei-Sterne-General Ludwig Leinhos, der künftige Inspekteur der IT-Krieger. Aber als der Cybermarsch gestern über den Appellplatz hallt, wippt keiner mit. Zu förmlich der Anlass, zu ernst das Thema.

Die Bundeswehr stellt eine neue Armee für das Schlachtfeld der Zukunft auf. Ein Heer aus Hackern, das künftig die Waffensysteme der Truppe schützen soll. Die neue Organisationseinheit Cyber- und Informationsraum steht ab sofort auf einer Ebene mit Heer, Marine und Luftwaffe.

Die Cyber-Streitkraft gilt als Lieblingsprojekt der Verteidigungsministerin. Feierlich stellt Ursula von der Leyen das neue Kommando auf der Bonner Hardthöhe in den Dienst, mit militärischem Tamtam und Fahnenübergabe. Es ist kühl und diesig auf dem Appellplatz, als von der Leyen um 15.03 Uhr vors Mikrofon tritt. Vor ihr stehen die ersten fast 200 IT-Soldaten, daneben "Dingo"-Transportfahrzeuge, Satcom-Anlagen, der Funkstörpanzer "Hummel".

Die CDU-Politikerin spricht von einem "Meilenstein" und vom "Megathema" Digitalisierung. Im Weißbuch 2006 sei das Wort "Cyber" einmal aufgetaucht, zehn Jahre später bereits 72 Mal. Das Thema werde die nächste Dekade beherrschen. Gleichzeitig malt die Ministerin dunkle Bilder der Bedrohung in ihrer Ansprache. Cyber-Angriffe seien keine Fiktion mehr, sondern "bittere Realität". Sie erwähnt die hybride Kriegsführung in der Ostukraine, die Gefahr eines virtuellen Kalifats, den Hackerangriff auf den Bundestag 2015 und Fake-News-Angriffe auf deutsche Soldaten in Litauen.

Von der Leyen berichtet aber auch von der Verwundbarkeit, die eine moderne Infrastruktur mit sich bringt. Sie erzählt von Hubschraubern, die in Mali gar nicht mehr abheben ohne SAP-Software. Vom Eurofighter, der allein 80 Computer und 100 Kilometer Kabel an Bord hat. Die Vernetzung habe die Truppe angreifbar gemacht. Allein 280 000 Attacken zählten die Streitkräfte in den ersten beiden Monaten des Jahres. "Wenn die Netze der Bundeswehr angegriffen werden, dann dürfen wir uns auch wehren", ruft sie über den Platz. So gerne das Verteidigungsministerium mit den Abwehrfähigkeiten der neuen IT-Truppe wirbt, so spärlich werden die Worte, wenn es um offensive Fähigkeiten geht. Denn auch Cyber-Attacken gehören klar zu den Fähigkeiten der neuen Armee.

Die Opposition kritisiert ein Hochrüsten im Netz und eine unklare Rechtslage, was die parlamentarische Kontrolle angeht. Denn das Eindringen ins Datennetz eines Gegners müsste - wie Einsätze mit Jets, Schiffen und Panzern auch - vom Bundestag genehmigt werden. "Hier werden Bedrohungsszenarien kreiert, die meiner Meinung nach nicht real sind", sagt Linken-Chef Bernd Riexinger. "Die Rüstungsspirale wird damit auf eine neue Ebene gehoben", erklärt Alexander Neu, Obmann der Linken im Verteidigungsausschuss. Das neue Kommando agiere im nahezu rechtsfreien Raum.

Die Bundeswehr übt seit Jahren Cyber-Attacken in einer geheim agierenden Einheit in Rheinbach bei Bonn. Diese 60 Mann starke Einheit soll jetzt in einem ersten Schritt um 20 Dienstposten aufgestockt werden. Dafür werden verschiedene, bereits bestehende IT-Bereiche zusammengelegt. Insgesamt sollen der neuen Cyber-Einheit 13 500 Soldaten und zivile Kräfte angehören, Personal wird nun gesucht. Bis 2021 soll die Truppe voll einsatzbereit sein.

Zur Identitätsstiftung hat die Cyber-Armee nicht nur einen Marsch, sie darf auch ein dunkelblaues Barett aufsetzen. Auf dem dazugehörigen Abzeichen prangt viel Symbolik. Ein Blitz steht für die Welt der Fernmelder, für Funk und Elektronik, eine Weltkugel für den grenzenlosen Cyberraum - und ein Schild, um Gefahren von dort abzuwehren. Ein Symbol für Angriff fehlt.

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