Das Leben ist ein Lehrpfad

Blieskastel-Webenheim · Er stammt aus einer Webenheimer Metzgereifamilie und macht Bodenständigkeit in „Hämmerle's Restaurant“ zu einer Tugend: Cliff Hämmerle (46). Heute startet er als Frontmann in der neuen SR-Kochshow „Mit Herz am Herd“.

 Cliff Hämmerle mit Frau Stéphanie, Tochter Emelie und Hund Madness vor dem Wintergarten ihres Restaurants in Blieskastel.

Cliff Hämmerle mit Frau Stéphanie, Tochter Emelie und Hund Madness vor dem Wintergarten ihres Restaurants in Blieskastel.

Foto: Rich Serra

Es gibt die Künstler-Tüftler unter den Köchen - genannt Küchenschaben -, die man nie im Lokal sieht. Dann die Vollblut-Wirte, meist extrovertierte Entertainer, und dann auch noch die Gastro-Manager, mehr Unternehmer denn Koch. Und es gibt "de Cliff", wie ihn Freunde, Gäste und Kollegen nennen: Cliff Hämmerle , ein saarländisches Spezialpaket, beliebt und bodenständig. Ein Mann, der offensichtlich einen exakt dosierten Cocktail aller Koch-Typen im Blut hat und noch vieles andere, etwa gute Laune, Regionalstolz, Lerneifer. Das Ergebnis: eine solide Erfolgsbilanz - beruflich, unternehmerisch und privat. Das ist selten im Gastrogeschäft. Klingt nach einer Überflieger-Nummer, ist es aber nicht.

Wie alles anfing? Mit einem Knochenjob an der väterlichen Bratwurstbude. Sie stand vor dem heutigen Lokal in Blieskastel-Webenheim . Hämmerle war 23, hatte in Kubigs Saarbrücker "Winzerstube" gelernt, bei der Neunkircher Sterneköchin Margarete Bacher gearbeitet, und kehrte heim, in die Gaststube, einen besseren Imbiss und Partyservice. Wenig mehr als ein Jahr später musste er sich verschulden, den Betrieb übernehmen. Anders als sein Opa und sein Vater war Hämmerle jedoch kein Metzger, er musste die Wurstwaren einkaufen, rieb sich wund zwischen Großmarkt, Currywurst-Grillen und Hausplatten. "Es war knallhart", erinnert er sich. "Zwei Jahre ohne Ruhetag, meine Frau war schwanger. Diese Zeit hat mich geprägt. Seitdem bin ich immer gut drauf." Und fernab jedes snobistischen Dünkels. Leger geht's selbst in Hämmerles Sternerestaurant "Barrique " zu - ein Gastro-Trend. Schon früh hatte Hämmerle einen untrüglichen Instinkt für Gästewünsche und neue Marktentwicklungen.

Als Erstes schloss er die Wurstbude und bot mittags Salatbüffets an, die immer ausgefeilter und bekannter wurden. Dann ließ er sich, inspiriert durch Steinback-Pizzen, mitten im Restaurant einen der ersten Flammkuchenöfen bauen - jedes Jahr wuchs der Umsatz um drei Prozent. "Damit begann der Wandel", sagt er. Fünf Jahre lang verfeinerte und erweiterte Hämmerle das Speisenangebot. Der Ofen lieferte ein Abrakadabra: Weiterentwicklung wurde zum Zauberwort. Als es 2003 zum ersten Mal den Bib Gourmand für das Restaurant "Landgenuss" gab, eine Auszeichnung für hohe Qualität zu einem guten Preis, war Hämmerle und seiner Frau Stéphanie klar: "Da geht noch was, da ist noch Luft nach oben." Die beiden sind seit 22 Jahren verheiratet, arbeiten als Team. Die ehemalige Fremdsprachenkorrespondentin liebt den abwechslungsreichen, kommunikativen Job im Service. Eine Rund-um-die-Uhr Knochenarbeit? "Wir würden nie mehr etwas anderes machen wollen."

2005/2006 begannen die Hämmerles mit dem "Barrique "-Projekt; es war bereits der vierte Umbau. "Wir sagten uns: Wir springen. Es war die Entscheidung zum Stern." Doch der neue edel eingerichtete Gourmettempel schlug keineswegs direkt ein; es hagelte Kritik an der "Zweiklassengesellschaft" unter einem Dach. Fünf Mal wurde Hämmerle vom Michelin getestet, bevor 2012 der Stern leuchtete. Doch der zweite Stern steht nicht mehr im Karrierebuch. "Wir sind hier auf dem Dorf, der zweite Stern würde unserem Haus nicht stehen." Eine Zwei-Sterne-Küche, sagt Hämmerle, bedeute das Umschwenken auf Höchstpreisprodukte: Kaviar, Gelbflossenmakrele, auf weißen Trüffel, der das Fünffache des Perigordtrüffels koste, den er derzeit verwende. Angelockt würde ein spezielles Klientel. "Ich brauche keinen Foodblogger aus New York am Tisch", meint Hämmerle. Sondern glückliche Saarländer und Saarpfälzer.

Also Stopp. Dabei ist Hämmerle einer, der gar nicht stehen bleiben kann. Der Sportfan schwimmt und läuft Marathons, baut täglich mindestens eine Stunde Bewegung in den Tag ein. Er sei als Kind schon etwas hyperaktiv gewesen, meint er und schildert sich als "typisches Gastronomiekind, selbst gezogen". Nach der Scheidung der Eltern wuchs er mehrheitlich bei den Großeltern auf. Wäsche, Schulbrote, Freizeitwege - alles regelte Hämmerle selbst. Dieses Selfmade-Modell übertrug er auch auf seine Karriere . "Für mich galt nicht die Maxime: Ich kann das auch, sondern ich kann das auch lernen." Hämmerle misst sich nicht verbissen mit Kollegen, er schulte und schult sich an ihnen. Das Testen und Vergleichen, aber auch das gemeinsame Genießen als soziales Erlebnis, hat er zum Hobby erhoben. Restaurantbesuche am sonntäglichen Ruhetag sind das Highlight der Woche. Man trifft sich mit Freunden, die nicht selten selbst Restaurants führen. Stammlokale? Hämmerle will lieber keine Namen nennen, denn er mag sie irgendwie alle, die Kollegen. "De Cliff" ist halt ein typisch saarländischer Harmoniebolzen. Auch als Chef? Die Hämmerles beschäftigen 20 Festangestellte, darunter sechs Köche und drei Kochlehrlinge. "Ein Lokal muss voll sein. Jeder Mitarbeiter muss was zu tun haben. Ich will, dass immer alle in Bewegung sind", sagt er. Oder: "Küche braucht Anspannung". Hämmerle selbst schmeckt grundsätzlich alles ab: Suppen, Soßen, Vinaigrette. "Die müssen mit allem an mir vorbei."

Am Abend gehen in dem stark frequentierten Restaurant 600 Teller aus der Küche. Tägliche Fehlschläge gehören dazu. Vielleicht rührt daher die sonnige Gelassenheit, die Hämmerle ausstrahlt? Nicht nur. "Ich lebe nach vorne, schließe immer mit dem Vergangenen ab", sagt er. "Jeden Tag muss ich mindestens zehn Entscheidungen treffen, und eine davon mindestens ist falsch." Sich-Grämen gehört also nicht ins Repertoire. Auch sei er ein "Alltagsmensch", der nicht auf Urlaubs-Auszeiten hinlebe, sondern jeden Tag positiv gestalte. So wird man dann ein Wirt mit Herz, ein filigraner Koch, ein zufriedener Typ.

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Auf einen Blick Die Kochshow "Mit Herz am Herd" läuft immer samstags, 18.15 Uhr, im SR Fernsehen. Sie wird donnerstags, 15.30 Uhr, SR/SWR Fernsehen wiederholt. Cliff Hämmerle führt vier Kochschüler - Simin, Sabine, Max und Michel - an regionale Rezepte und Produkte heran. Gekocht wird in einer Outdoor-Küche an verschiedenen Plätzen im Saarland. Das Rezept der ersten Sendung: Geheirade mit Feld- und Löwenzahnsalat. Am 13. Februar: Herzwaffeln mit Liebesapfel-Ragout, am 20. Februar: Flammkuchen mit Trauben und Lachs, am 27. Februar: Rindergulasch mit Hoorische.Die Saarbrücker Zeitung stellt ab 15. Februar die vom Gastroführer Michelin mit Sternen oder einem "Bib Gourmand" ausgezeichneten saarländischen Köche vor. Die Serie "Der Mensch hinterm Kochtopf" erscheint in der Regel montags auf der Seite Land/Region. Vorgestellt wird am 15. Feburar Martin Stopp, Koch im Saarlouiser "Le Pastis". ce

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