Kanzleramt droht Erdogan mit Einreiseverbot

Berlin/Saarbrücken · Der Streit zwischen Europa und der Türkei spitzt sich zu. Lob und Kritik gibt es für das Vorgehen des Saarlandes gegen türkische Wahlkampf-Auftritte.

Der türkische Präsident Erdogan gestern in seiner Heimat. Foto: dpa

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(dpa/SZ) Angesichts aggressiver und abschätziger Attacken der türkischen Führung in Richtung Deutschland droht die Bundesregierung nun offen mit einem Einreiseverbot für Spitzenpolitiker der Türkei. Deutschland habe völkerrechtlich die Befugnis, die Einreise ausländischer Regierungsmitglieder zu unterbinden, sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) der Funke-Mediengruppe. "Ein Einreiseverbot wäre das letzte Mittel. Das behalten wir uns vor." Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) signalisierte Entschlossenheit: "Wenn es nötig ist, wird in Deutschland gehandelt."

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigte sich gestern unbeeindruckt und schimpfte in Richtung EU: "Der Geist des Faschismus geht um in den Straßen Europas." Die Türkei empört sich darüber, dass in den Niederlanden und auch in Deutschland mehrere Wahlkampfauftritte türkischer Politiker untersagt worden sind. Am 16. April stimmen die Türken über eine Verfassungsänderung für ein Präsidialsystem ab, das Erdogan mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen würde. Erdogan hielt den Europäern vor, gegen das Präsidialsystem zu "mobilisieren". Zudem wiederholte er den Vorwurf an die Niederlande, beim Srebrenica-Massaker in Bosnien-Herzegowina 8000 bosnische Muslime ermordet zu haben. Die Niederlande hätten "nichts mit Zivilisation zu tun", sagte er.

Deutschland hatte Erdogan zuletzt "Nazi-Praktiken" und eine Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Altmaier sagte dazu: "Wir verwahren uns entschieden gegen Nazi-Vergleiche und groteske Vorwürfe." Die Türkei lege immer großen Wert darauf, dass ihre Ehre nicht verletzt werde. "Auch Deutschland hat eine Ehre!", sagte der Saarländer. Die Bundesrepublik sei seit ihrer Gründung ein weltweit anerkannter Rechtsstaat.

FDP-Chef Lindner forderte, die Bundesregierung müsse Auftritte "türkischer Offizieller" und deren Einreise bis zum Abschluss des Referendums unterbinden. Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz plädierte für eine klare Ansage an Erdogan. "Es ist nicht Aufgabe einer Regierung, den Wahlkampf ins Ausland zu tragen und es ist nicht Aufgabe des türkischen Staatspräsidenten, Wahlkampf für die AKP in Deutschland zu machen", sagte er im SR.

Der Vorstoß von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), im Saarland als erstem Bundesland überhaupt Wahlkampf-Auftritte türkischer Politiker zu verbieten, sorgte unterdessen für Kritik, aber auch Zustimmung. Grüne und FDP nannten den Schritt "Wahlkampfgetöse", weil gar keine Auftritte geplant seien. Dennoch sei es eine "richtige Entscheidung", lobte Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine. Auch Sachsen-Anhalt kündigte gestern an, Wahlkampf-Auftritte Erdogans zu untersagen.

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