Studenten stecken in der Stress-Falle

Berlin/Saarbrücken · Tiermedizinerin an einer Uni in Nordrhein-Westfalen – so beschreibt ein neuer AOK-Report den typischen Stress-Studenten. Das relaxte Gegenstück ist männlich und studiert Sport in Rheinland-Pfalz. Aber zehren auch Nebenjobs an den Nerven?

 Lesen, Lernen – bis es nicht mehr geht: Für viele Studenten ist der Alltag hart. Foto: Fotolia

Lesen, Lernen – bis es nicht mehr geht: Für viele Studenten ist der Alltag hart. Foto: Fotolia

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Es ist schon eine Weile her, dass WDR-Moderator Klaus Jürgen Haller seine Mittagsmagazin-Hörer so begrüßte: "Guten Tag, meine Damen und Herren - guten Morgen, liebe Studenten !" Doch Vorurteile über das lockere Studentenleben halten sich hartnäckig. "Die schlafen lange" und "machen viel Party". Von wegen: Der Alltag der 2,8 Millionen Studenten in Deutschland sieht oft anders aus. Prüfungsdruck, Zukunftsangst, Perfektionswahn bestimmen ihn. Das zeigt der neue AOK-Report.

Jeder zweite Student (53 Prozent) fühlt sich demnach massiv überfordert. Das Stressgefühl ist also etwas ausgeprägter als bei Beschäftigten in regulären Jobs (50 Prozent). Einen Grund für den hohen Belastungsgrad bei Studenten sehen Wissenschaftler aus Potsdam und Hohenheim in der "Bologna-Reform" von 1999 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes, die mit verstärktem Prüfungsstress einherging. Allerdings sei in Deutschland die "Stress-Resilienz" (die Widerstandsfähigkeit im Umgang mit Belastungen) bei Studierenden wohl auch besonders gering ausgeprägt, schreibt die AOK . Heißt also: Die Studenten wirken hier und da etwas weinerlich.

Es gibt durchaus regionale Unterschiede: Die Saarländer zählen beispielsweise zu den am meisten gestressten Studenten der Bildungsrepublik. Sie landen auf Rang drei der Umfrage unter 18 000 Kommilitonen . Direkt hinter Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Am entspanntesten sind die Brandenburger, Bayern und die Rheinland-Pfälzer.

Unterschiede beim Thema Stress gibt es auch bei den Geschlechtern: So leiden Frauen mehr unter dem Hochschulleben als ihre männlichen Kommilitonen . Zudem klagen Bachelor-Studenten mehr über Stress als die schon reiferen Master-Kandidaten. Zudem gibt es echte Stress-Fächer: Nummer eins soll laut AOK-Report die Tiermedizin sein. Am Ende der Skala stehen hingegen die Sportwissenschaften.

Generell ist der Alltag der Studenten sehr vollgepackt. Eine 40-Stunden-Arbeitswoche reicht selten aus. Im Schnitt wenden Studenten in Deutschland allein knapp 35 Wochenstunden für Vorlesungen, Seminare, Hausarbeiten und Recherchen an ihrer Uni auf. Hinzu kommen etwa sieben Stunden für Nebenjobs. Gut jeder Fünfte muss neben der Hochschule für seinen Lebensunterhalt so viel arbeiten, dass er "faktisch Teilzeit" studiert, rechnet das Deutsche Studentenwerk vor. Bafög hilft dabei nicht mal einem Viertel der Immatrikulierten. Zugleich soll ein Bachelor-Student aber nach nur sechs Semestern den ersten akademischen Abschluss in der Tasche haben - im Prüfungsjahr 2014 schafften es gleichwohl nur 46 Prozent in der Regelstudienzeit.

Die AOK denkt anders über das Thema Vollzeit-Studium und Nebenjob. Sie warnt sogar davor, dass Mehrfachbelastungen von Studierenden nicht automatisch zu noch mehr Stress führen müssen. Studenten mit einem Zusatzjob seien "nicht mehr, teilweise sogar weniger gestresst als Studenten , die sich ausschließlich aufs Lernen fokussieren", sagt Kassen-Vorstandschef Martin Litsch. Ähnliches gelte übrigens für Studenten mit Kindern. Hier zeige sich offenbar, dass eine gute "Work-Life-Balance" zwischen dem Studentenleben und der Ablenkung durch andere Dinge durchaus stressreduzierend wirken könne.

Kommt im Studium dennoch Stress auf, äußert sich dieser bei den Betroffenen ganz unterschiedlich: Am häufigsten wurden Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten sowie Lustlosigkeit genannt. "Die Hälfte der Studierenden wünscht sich den Ausbau von Beratungsangeboten zur Stressbewältigung durch die Hochschule und externe Organisationen", sagt Litsch. Angesichts drohender Gesundheitsprobleme durch Stress oder sogar Suchtgefahren müssten die Krankenkassen ernst nehmen. "Es geht hier nicht nur um Befindlichkeiten" - sondern um die Zukunft junger Menschen.

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