Krönungsmesse mit 3000 Gästen

Berlin · Die SPD wird ihren Hoffnungsträger Martin Schulz am Sonntag zum Parteichef wählen.

 Martin Schulz dürfte mit deutlich über 90 Prozent gewählt werden. Foto: dpa

Martin Schulz dürfte mit deutlich über 90 Prozent gewählt werden. Foto: dpa

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Eines kann man der SPD-Zentrale nicht vorwerfen: mangelnde Professionalität. Sofort mit der Entscheidung für Martin Schulz als Kanzlerkandidat startete sie eine ziemlich perfekt gemachte Vorstellungs-Tournee durch Deutschland. Vorläufiger Höhepunkt ist nun der Parteitag am Sonntag in Berlin, auf dem der 61-Jährige den bisherigen Parteichef Sigmar Gabriel (57) ablösen und auch offiziell zum Merkel-Herausforderer ernannt werden soll.

Seine zwei wichtigsten Botschaften hatte Schulz bereits in seiner Antrittsrede am 29. Januar formuliert - "Ich will Bundeskanzler werden" und "Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit". Der eine Satz steht für das neue Selbstbewusstsein der SPD und wurde bald mit Umfragen unterfüttert. Der andere Satz bedient die Sehnsucht nach einer Korrektur der ungeliebten Agenda-Reformen.

Schulz sind bisher wenig Schnitzer passiert, wenn man einmal von dem übermütigen "Fangt doch mal an zu rufen" absieht, mit dem er in Würzburg versuchte, Anhänger zum üblichen "Martin, Martin"-Sprechchor zu bewegen. Dabei hat er das gar nicht nötig; Schulz ist an der Basis regelrecht Kult. 12 000 Neueintritte verzeichnet die SPD seit Januar, 40 Prozent davon sind unter 35 Jahre alt. Bei jeder seiner fünf Großveranstaltungen, die sehr bewusst in Mittelstädten wie Würzburg, Kamen oder Worms stattfanden, strapazierte der Kandidat seine Lebensgeschichte als Junge aus kleinem Hause, der "Brüche" hinter sich habe, samt früherem Alkoholproblem. Schulz wird konsequent als "einer von uns" inszeniert.

Auch der Parteitag ist so eine Inszenierung. 3000 Gäste werden erwartet, darunter 600 Delegierte und 500 Journalisten. Gabriel wird von Schulz aus dem Amt des Parteivorsitzenden verabschiedet werden, man darf annehmen mit enorm viel Herz und Schmerz. Altkanzler Gerhard Schröder, Vater der Agenda-Reformen, ist durch eine Auslandsreise verhindert und kann die Harmonie nicht trüben. Die Wählkämpferinnen Anke Rehlinger und Hannelore Kraft werden gefeiert werden. Und ihrerseits dem Kandidaten wohl auf ewig dankbar sein, denn auch ihre Umfragewerte sind nach oben geschossen. Und dann wird es nach Schulz' Rede ein super Wahlergebnis für den neuen ersten Mann geben, sicher deutlich über 90 Prozent. Vier Stunden Geschlossenheit, vier Stunden Siegeszuversicht. Bei den Sozialdemokraten gab es so was lange nicht mehr.

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