Nur wenige verbringen die letzten Stunden zu Hause

Berlin · Es ist nicht überraschend, dass die Mehrheit der Deutschen am liebsten zu Hause sterben würde. Erstaunlich ist aber, dass das Gesundheitswesen dies kaum ermöglicht. Gut 75 Prozent der Bundesbürger verbringen die letzten Stunden ihres Lebens daher im Krankenhaus oder Pflegeheim.

 Bei vielen Deutschen geht der Wunsch nach dem Wie und dem Wo des Sterbens nicht in Erfüllung. Symbolfoto: dpa

Bei vielen Deutschen geht der Wunsch nach dem Wie und dem Wo des Sterbens nicht in Erfüllung. Symbolfoto: dpa

Zu Hause und nicht einsam zu sterben - es kann wohl kaum etwas Menschlicheres geben, als sich das zu wünschen. Wunsch und Wirklichkeit klaffen aber in Deutschland weit auseinander. Dem gestern vorgestellten Pflegereport der Krankenkasse DAK zufolge sterben drei Viertel der Menschen in Krankenhäusern und Heimen, obwohl sich eine Mehrheit von 60 Prozent wünscht, zu Hause zu sein. Weitere Erkenntnis: Im Krankenhaus ist jeder Fünfte, im Heim jeder Dritte beim Sterben allein. Zu Hause waren es nur sieben Prozent, die am Lebensende niemanden bei sich hatten.

Wenn ihre Lieben nicht zu Hause sterben können, bereut das die Familie später häufig. Laut Report sagt gut ein Drittel der Angehörigen, ihr Verstorbener hätte nicht im Krankenhaus, knapp ein Drittel, er hätte nicht im Pflegeheim sterben sollen. Als häufigsten Grund geben sie an, der Verstorbene habe sich dort nicht wohlgefühlt. Knapp die Hälfte hat gesehen, dass ihr Angehöriger zu oft allein war. Es wäre besser gewesen, den Sterbenden daheim zu versorgen, meinen die meisten, die sich einen anderen Ort gewünscht hätten. Nur die Hospize kommen gut weg. 90 Prozent der Befragten sind auch hinterher mit der Begleitung ihres Verstorbenen zufrieden.

Das Sterben in der Klinik kostet die Krankenkassen rund zehn Mal so viel wie ein Patient, der zu Hause stirbt. Darauf machte der Vorstandsvorsitzende der DAK, Herbert Rebscher, aufmerksam. Es sei also auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll, die Krankenhausaufenthalte am Lebensende zu minimieren, sagte er. "Die große Zahl von prämortalen Krankenhauseinweisungen widerspricht dem Grundsatz ambulant vor stationär der Pflegeversicherung", erklärte Rebscher. Viele seien vermeidbar, wenn es den Hausärzten gelänge, eine gute Versorgung mit Krankenpflege und möglicherweise auch Palliativversorgung - also der schmerzlindernden Begleitung - zu Hause zu organisieren.

Dem Report zufolge gaben nur zwei Prozent der Befragten an, in einem Pflegeheim sterben zu wollen und vier Prozent im Krankenhaus. 19 Prozent wissen nicht, wo sie sein wollen, wenn sie sterben müssen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass eine wachsende Zahl alter Menschen allein lebt. Das Krankenhaus sei die letzte Lösung, wenn die Angehörigen überfordert sind oder Hausärzte fehlen, bilanzierte der Leiter der Studie, Thomas Klie. Er bemängelte, dass zu wenig getan werde, um Pflegebedürftige weiter zu Hause zu versorgen. Es müssten die Anreize erhöht werden, Klinikaufenthalte zu vermeiden.

Der Report zeigt auch, dass pflegende Angehörige gute Erfahrungen mit der Begleitung Sterbender machen und sich viel zutrauen, wenn sie unterstützt werden. Jeder Zweite wünscht sich neben fachlicher Unterstützung ehrenamtliche Helfer an seiner Seite. Gute Erfahrungen kehren die Verhältnisse um: Während sich nur ein Drittel der Bevölkerung zutraut, einen Sterbenden bis zum Tod zu pflegen, sind es unter den pflegenden Angehörigen zwei Drittel.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht in dem Report einen weiteren deutlichen Beleg dafür, dass Pflegebedürftige in Heimen keine angemessene Sterbebegleitung erhalten. Das neue Palliativgesetz gebe darauf keine Antwort, kritisierte Vorstand Eugen Brysch. "Es fehlt an eigenen Palliativteams in den 13 000 Pflegeheimen", erklärte Brysch und forderte einen Rechtsanspruch auf Hospizleistungen auch für Heimbewohner.

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