Bundestag einig: Es darf kein Geschäft mit Suizid Todkranker geben

Berlin · Inzwischen liegen alle vier Gesetzentwürfe für eine Neuregelung der Sterbehilfe vor. Profitorientierte Vereine sollen verboten werden. Ansonsten liegen die Vorschläge zwischen Totalverbot und Alles-bleibt-beim-Alten.

Die erhoffte breite gesellschaftliche Debatte über Sterben und Sterbehilfe ist zwar ausgeblieben. Doch eines ist den Bundestagsfraktionen seit 2014 gelungen: Sterben wurde ein gutes Stück aus der Tabuzone geholt, aus den Sterbezimmern zu Hause, in den Hospizen, den Altenheimen oder Krankenhäusern.

Die Orientierungsdebatte des Bundestages im vergangenen November und die zum Teil sehr persönlichen Erzählungen der Abgeordneten haben deutlich gemacht, dass jeder direkt oder indirekt betroffen ist oder sein kann. Schnell herrschte große Einigkeit darin, dass hier zwei Dinge zu behandeln sind: Wie geht diese Gesellschaft künftig mit Sterbenden allgemeinen um? Und wie mit dem Wunsch Sterbender, ihrem Leiden vorzeitig ein Ende zu machen?

Für den allgemeinen Umgang mit Schwerstkranken heißt das zunächst eine bessere Betreuung und Versorgung in ihrer letzten Lebensphase: zu Hause, in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, flächendeckend in den Städten oder auf dem Land, wie die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU ) gestern bei der ersten Lesung über den Gesetzentwurf bekräftigte. Das Ziel ist weitgehend unumstritten. Strittig über Fraktionsgrenzen hinweg ist der Wunsch eines schwer leidenden Sterbenden nach einer vorzeitigen Beendigung seines Lebens. Das betrifft im Grunde 500 Fälle im Jahr. Hier liegen inzwischen vier Gesetzentwürfe vor, die sich im wesentlichen auf zwei Punkte konzentrieren: gewerbsmäßige Sterbehilfe und Sterbehilfe eines Vertrauensarztes, die über das bisher Zulässige in den Ärztestatuten hinausgeht.

Gewerbsmäßig organisierte Sterbehilfe lehnen alle Gruppen im Prinzip ab. Das zielt gegen Sterbevereine wie den des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch . Der Verein "Sterbehilfe Deutschland" erwägt, gegen sein drohendes Verbot juristisch vorzugehen. Drei Gesetzentwürfe bemühen für ein Verbot die schärfste Waffe, das Strafgesetzbuch. Eine Gruppe von Koalitionsabgeordneten um Bundestagsvizepräsident Peter Hintze und die SPD-Fraktionsvize Carola Reimann und Karl Lauterbach setzt darauf, dass sich bei gesetzlicher Verankerung eines ärztlich assistierten Suizids das Geschäftsmodell solcher Vereine ohnehin erledigt.

Jenseits eines Vereinsverbots haben im Grunde genommen alle vier Entwürfe bei dieser ethisch sehr sensiblen Frage der Sterbehilfe Unschärfen in der Argumentation. Den aussichtsreichsten Entwurf hat wohl einen Gruppe um Michael Brand (CDU ), Kerstin Griese (SPD ), Kathrin Vogler (Linke) und Elisabeth Scharfenberg (Grüne) vorgelegt. Es ist der einzige, der in allen Fraktionen Befürworter hat. Diesem neigt dem Vernehmen nach auch ein großer Teil der Unionsfraktion zu - samt Gesundheitsminister Hermann Gröhe . Der Gesetzentwurf zielt vor allem auf ein Verbot der profitorientierten Sterbehilfevereine. Allerdings "kriminalisiert die Gruppe Suizidbeihilfe ausdrücklich nicht. Brand: "Wir suchen einen Weg zwischen Totalverbot und Öffnung hin zum ärztlich assistierten Suizid."

Zum Thema:

Hintergrund Aktive Sterbehilfe : Sie ist in Deutschland strafbar. Wer jemanden auf dessen Wunsch tötet, wird wegen Tötung auf Verlangen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Passive Sterbehilfe : Gemeint ist der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen. Ärzte dürfen die Maßnahmen auch abbrechen, wenn der Patient nicht kurz vor dem Tod steht. Indirekte Sterbehilfe : Die Verabreichung starker Schmerzmittel, die durch ihre Wirkung auf geschwächte Organe das Leben verkürzen können, ist nicht strafbar, wenn dies dem Willen eines extrem leidenden Menschen entspricht. dpa

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