... will Schulz 2017 umschreiben

Berlin · Der SPD-Kanzlerkandidat stellt ein verlängertes Arbeitslosengeld I in Aussicht und will die Partei nach links rücken.

Foto: dpa, Illustration: Robby Lorenz

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Die SPD will befristete Arbeitsverträge erschweren und offenbar auch die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I verlängern. Das kündigte ihr designierter Kanzlerkandidat Martin Schulz gestern bei einer Parteikonferenz in Bielefeld an.

Über soziale Gerechtigkeit hat Martin Schulz in den letzten Tagen und Wochen schon viel gesprochen. Auf einer Parteiveranstaltung zum Thema "Arbeit der Zukunft" konkretisierte Schulz nun seine Vorstellungen. Zumindest ein bisschen. Die normalen Arbeitsverhältnisse kämen immer mehr unter Druck, meinte der SPD-Hoffnungsträger. Das führe zu Verunsicherung und Angst vor dem Verlust einer sicheren Lebensgrundlage. "Auch wir haben Fehler gemacht", räumte Schulz ein. Im Kern war damit die unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder beschlossene Agenda 2010 gemeint. Einerseits ebneten die damaligen Beschlüsse den Weg für mehr Wachstum und Rekordbeschäftigung. Andererseits waren sie mit Einschnitten etwa beim Arbeitslosengeldbezug verbunden. Dies will Schulz nun offenbar korrigieren. Menschen, die ihren Job verlören, müssten mit Respekt und Anstand behandelt werden, sagte er. Er nannte das Beispiel eines heute 50-jährigen Beschäftigten, der mit 14 angestellt wurde und immer noch im gleichen Betrieb arbeitet. Verliere dieser Mann seinen Job, bekomme er 15 Monate lang Arbeitslosengeld und "danach geht es an seine Existenz", klagte Schulz. Über genaue Änderungen hielt er sich allerdings bedeckt. Dazu werde Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ein Konzept erarbeiten, so Schulz.

Vor der Agenda 2010 war das Arbeitslosengeld vergleichsweise großzügig geregelt. Bis Anfang 2006 hatten schon Arbeitslose im Alter von 45 für maximal 14 Monate darauf Anspruch. Mit 52 waren es bereits 26 Monate. Und wer 57 und älter war, dem stand das Arbeitslosengeld sogar fast drei Jahre lang (32 Monate) zu. Anschließend folgte meist die Frühverrentung. Zudem gab es die Arbeitslosenhilfe für Langzeitarbeitslose. Dagegen beträgt die maximale Bezugsdauer nach aktuellem Recht nur 24 Monate, und das auch erst ab einem Alter von 58 Jahren. Zwischen 50 und 54 sind es 15 Monate, und bis 57 liegt die Dauer bei 18 Monaten. Danach droht Hatz IV.

Um überhaupt Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen zu können, muss ein Betroffener in den letzten zwei Jahren allerdings mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Wegen der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt (zum Beispiel Teilzeit oder befristete Jobs) gelingt das jedoch offenbar immer weniger Menschen. "Jeder vierte Arbeitslose bekommt nichts heraus, weil er die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt", kritisierte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, im Gespräch mit unserer Redaktion. Hier seien Verbesserungen notwendig. "Schulz hat aber nur diejenigen im Blick, die eine traditionelle Berufsbiografie haben", kritisierte Pothmer. Das sei Klientelpolitik.

Unterstützung von den Grünen bekommt Schulz dagegen für seine Forderung nach Abschaffung der sogenannten sachgrundlosen Befristung. Diese Möglichkeit war im Interesse einer flexibleren Beschäftigung in den Unternehmen eingeführt worden. Wegen der Jobunsicherheit erweist sie sich aber vor allem bei jüngeren Arbeitnehmern als Hindernis für die Lebensplanung. Nach Angaben der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat sich der Anteil der 25- bis 34jährigen Arbeitnehmer an befristeter Beschäftigung zwischen 1991 und 2015 fast verdoppelt. Bei den Frauen stieg er von acht auf 14 Prozent und bei den Männern von sieben auf 14 Prozent.

"Die sachgrundlose Befristung ist nichts anderes als eine zeitlich ausgedehnte Probezeit", erklärte Pothmer. Es gebe hinreichend Gründe, eine Stelle zu befristen. Zum Beispiel bei einer Schwangerschaftsvertretung oder bei Projektarbeit. Dagegen lade die sachgrundlose Befristung geradezu zum Missbrauch ein, kritisierte Pothmer.

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