Die Woche der Wahrheit für die Genossen

In der SPD verplappert sich derzeit keiner - weil außer Sigmar Gabriel keiner etwas weiß. Nicht einmal die engsten Mitarbeiter. Offiziell soll erst am Sonntag das große Geheimnis gelüftet werden, welcher Sozialdemokrat gegen Angela Merkel antritt. Und im Zusammenhang damit auch, wer neuer Außenminister wird. Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.

 Schulz und Gabriel gelten als Freunde: Werden die beiden auch für die SPD um die Posten des Außenministers und Kanzlers kämpfen? Foto: dpa

Schulz und Gabriel gelten als Freunde: Werden die beiden auch für die SPD um die Posten des Außenministers und Kanzlers kämpfen? Foto: dpa

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Dass der Parteivorsitzende Gabriel als Merkel-Herausforderer antritt, halten in Berlin derzeit zwar gefühlt neun von zehn Journalisten und ebenso viele Mitarbeiter des Willy-Brandt-Hauses für den wahrscheinlichsten Ausgang. Nur ist der 57-Jährige bei den Wählern nicht sonderlich beliebt, ein Umstand, der auch ihm selbst nicht verborgen geblieben ist. Aus der Partei hört Gabriel widersprüchliche Signale. Da sind die einen, die mit ihm unzufrieden sind und lieber Schulz hätten. Und da sind die anderen, darunter fast die gesamte Spitze, die finden, dass er als Parteichef in der Pflicht ist, in den - wahrscheinlich aussichtslosen - Kampf zu ziehen. Oder aber sein Parteiamt niederliegen soll. Wie Gabriel sich entscheidet, ist das große Geheimnis. Hinzu kommt noch Faktor Drei - die Familie. Seine Frau ist schwanger.

Schulz gilt mit seiner internationalen Erfahrung quasi als der natürliche Kandidat für das andere freiwerdende Amt gilt, das des Außenministers. Denn Frank-Walter Steinmeier wird voraussichtlich am 12. Februar zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Insofern wäre diese Variante - Gabriel Kanzlerkandidat und weiter Parteichef, Schulz Außenminister - die einfachste Lösung. Bisher hält die SPD stoisch an ihrem Zeitplan fest, alles erst nächsten Sonntag zu verkünden. Um 10.30 Uhr im Parteivorstand, es ist der einzige Tagesordnungspunkt. Danach soll sich der Kandidat um 13.00 Uhr in der Zentrale mit einer Rede präsentieren, ab heute wird dazu das Parteivolk eingeladen. Es soll ein Auftakt wie aus einem Guss werden. Unmittelbar nach der Rede zieht sich die Parteispitze zurs zweitägigen Klausur zwecks Vorbereitung des Wahlkampfes zurück.

Allerdings hat der Zeitplan einen Haken: Der neue Außenminister muss vom Bundestag vereidigt werden. Der aber tagt nur noch in dieser Woche - oder erst nach dem 12. Februar wieder. Zwar könnte Steinmeier theoretisch als "president elect" noch bis 18. März Außenamts-Chef bleiben, denn erst dann endet die Amtszeit von Bundespräsident Joachim Gauck . Denkbar wäre auch, dass Deutschland ein paar Tage keinen Außenminister hat. Sauberer wäre aber, wenn Steinmeier das Amt vor seiner Wahl übergäbe. Das müsste also schon in dieser Woche sein, oder es gäbe die Notwendigkeit einer aufwändigen Sondersitzung des Bundestags nur für die Vereidigung. Möglich ist daher, dass die SPD doch schon vor Sonntag ihre Entscheidungen bekannt gibt.

Mit einer Wahrscheinlichkeit von vielleicht zehn Prozent könnte das Ganze auch genau umgekehrt ausgehen. Schulz als Kanzlerkandidat und Vorsitzender, Gabriel als neuer Außen-Chef. Auch diese Variante wird diskutiert, sie würde Gabriel das Gesicht wahren und den in den Augen vieler Besseren an die Spitze hieven. Ein neuer Wirtschaftsminister ließe sich finden. In der letzten Zeit hat sich Gabriel auffällig häufig auf außenpolitischem Terrain bewegt. Als nahezu unwahrscheinlich gilt die dritte Variante, nämlich dass Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz oder Arbeitsministerin Andrea Nahles die Kanzlerkandidatur übernehmen. Beide haben sich das für 2021 vorbehalten - wenn Merkel womöglich weg ist und die Chancen wieder größer sind.

Zum Thema:

Hintergrund Deutschlands Elite empfiehlt der SPD , mit Martin Schulz statt Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zu ziehen. 46 Prozent der über 500 Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung halten den Ex-EU-Parlamentspräsident für den aussichtsreichsten Kandidaten. Nur 19 Prozent vertrauen einer Allensbach-Umfrage nach SPD-Chef Gabriel. dpa

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