„Gebrauch von Parolen hängt vielfach mit Unkenntnis zusammen“

Vor allem in der Flüchtlingsdebatte wird die Sprache roher. Wie gefährlich ist das? SZ-Redakteurin Iris Neu-Michalik sprach mit Georg Schuppener, Linguistik-Professor an der Leipziger Universität und Autor der Publikation „Sprache des Rechtsextremismus“.

Sprachwissenschaftler stellen in der Asyldebatte eine zunehmende Verrohung der Sprache fest: Die Hemmschwelle, ganz offen die Sprache der Nationalsozialisten zu verwenden, sei gesunken. Können Sie das bestätigen?

Schuppener: Wir haben heute in der Tat eine relativ breit gestreute rohe Sprache in der Diskussion über die Flüchtlingsproblematik.

Was nicht heißt, dass es das früher in der Öffentlichkeit nicht gegeben hat. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat einmal von der "durchrassten Gesellschaft" gesprochen. Das war damals ein Riesenskandal. Natürlich gibt es Äußerungen in den sozialen Netzwerken, die der Sprache des Hasses zuzuordnen sind. Früher haben manche das eher hinter vorgehaltener Hand oder am Stammtisch gemacht, heute ist das schon gesellschaftsfähig geworden. Dass sich Menschen trauen, solche Parolen zu streuen, ist nicht zuletzt der Erfolg einer Partei wie der AfD.

Gehört es tatsächlich zur Strategie Rechtsextremer, die Sprache zu beeinflussen, auch über ihre Kreise hinaus, wie Experten behaupten?

Schuppener: Ja, denn will man den Kampf um die Köpfe gewinnen, erreicht man das durch die Sprache. Der deutsche Romanist und Politiker Victor Klemperer (1881 bis 1960) sagte einmal: Die Sprache ist ein süßes Gift, das man unbewusst trinkt. Wenn man die Sprache beeinflussen kann, dann kann man auch das Denken beeinflussen. Das ist ein Phänomen, das es bei allen politischen Strömungen gibt. Aber die Rechtsextremen machen sich das ganz dezidiert zu nutze.

Wie gefährlich ist das?

Schuppener: Das ist hochgradig gefährlich. Wenn die Verwendung eines rechtsextremen Vokabulars das Denken beeinflusst, führt das auch dazu, dass sich auch die politische Landschaft verändert. Die Flüchtlingsfrage kann man ja durchaus kritisch diskutieren - auch ohne diese hasserfüllte Sprache.

Wenn sich Menschen immer unbefangener rechtsextremer oder gar NS-Parolen bedienen, hängt das auch mit mangelnder Bildung zusammen?

Schuppener: Es hängt sicherlich vielfach mit Unkenntnis zusammen. Auch im Rahmen der Flüchtlingsproblematik. Oft werden vorgefertigte Meinungen übernommen von Menschen, die weder einen Flüchtling kennen noch je mit einem gesprochen haben.

Kann man dieser Entwicklung entgegentreten?

Schuppener: Bewusstes Sprechen ist wichtig. Vor allem sollten sich Vertreter der Parteien, die sich als demokratisch verstehen, davor hüten, solches Wortgut zu verwenden. Natürlich sollte man auch in Schulen und Bildungseinrichtungen über diese Rhetorik, ihre Hintergründe und Wirkung sprechen. Bei Facebook oder Twitter dagegen vorzugehen, halte ich dagegen für aussichtslos, das ist ein Kampf gegen Windmühlen.

Spiegelt eine verrohte Sprache auch eine politische Verrohung?

Schuppener: Das wird häufig behauptet, aber eine generelle Tendenz kann ich nicht feststellen. Wenn wir an die 70er Jahre denken, etwa an die Ausdrucksweise von Herbert Wehner , würden wir auch nicht generell von politischer Verrohung reden.

Das vollständige Interview

lesen Sie im Internet unter www.saarbruecker-zeitung.de/interviews/

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