Druck auf Grüne wegen Nordafrika-Flüchtlingen

Berlin · Grünen-Chefin Simone Peter hat weitere Verhandlungen mit der Bundesregierung über die künftige Einstufung der Ma ghreb-Staaten abgelehnt. Peter sagte im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß, die drei Länder seien alles andere als sicher.

Wenige Tage vor der Abstimmung im Bundesrat über die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer wächst der Druck auf die sich sperrenden Grünen, dem Vorhaben doch zuzustimmen. "Eine Ablehnung wäre pure sinnlose Ideologie", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU ). Bei einem Nein würden sich die Grünen "zum Gehilfen für massenhaften Asylmissbrauch" machen, warnte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer . Die Grünen gehen jedoch von einem Scheitern des Gesetzentwurfs aus. Für das Gesetz "gibt es nach jetzigem Stand im Bundesrat keine Mehrheit", sagte der politische Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.

Die Länderkammer will am kommenden Freitag über den vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetzentwurf entscheiden, der Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Staaten ausweist. Das würde die ohnehin schon geringen Chancen von Flüchtlingen aus diesen drei Ländern, in Deutschland Asyl zu bekommen, weiter schmälern. Sie könnten dann auch schneller abgeschoben werden.

Die Grünen können das Vorhaben aber zu Fall bringen. Denn Union und SPD sind im Bundesrat auf die Stimmen von mindestens drei der zehn Länder mit grüner Regierungsbeteiligung angewiesen. Mehrere dieser Länder haben aber schon ein Nein oder eine Enthaltung in Aussicht gestellt.

Kellner argumentierte im "Kölner Stadt-Anzeiger", in den Maghreb-Staaten würden Menschen unter anderem wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt. "Deshalb können sie nach menschenrechtlichen Standards keine sicheren Herkunftsstaaten sein."

Dagegen wies de Maizière in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" darauf hin, dass tatsächlich Verfolgte aus dieser Region weiterhin in Deutschland Asyl erhielten. "Für jeden Asylantrag gilt die Einzelfallprüfung. Das gilt selbstverständlich auch für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten. Und selbstverständlich wird Schutz gewährt, wenn entsprechende Gründe vorliegen", sagte er.

Der Vizevorsitzende der CDU /CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Harbarth (CDU ), sagte, Migranten aus den fraglichen Ländern hätten fast ausschließlich ökonomische Motive für einen Asylantrag. Sie seien zudem in Deutschland überproportional an Straftaten beteiligt. "Wir haben ein hohes Interesse daran, dass diese Bewerber durch die Einstufung in ein verkürztes Asylverfahren überführt werden." Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hofft darauf, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmt. "Die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus den drei Maghreb-Staaten ist äußerst gering, zum Teil liegt sie unter einem Prozent", sagte der Vizekanzler den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Warum sperren sich die Grünen gegen die Einstufung der Maghreb-Staaten als sicher?

Peter: Wir sehen das Instrument der sicheren Herkunftsländer kritisch. Denn damit lässt sich keine sinnvolle Flüchtlingspolitik gestalten. Als sichere Herkunftsländer gelten Staaten, von denen der Gesetzgeber annimmt, dass eine politische Verfolgung nicht stattfindet. In den Maghreb-Staaten sind Homosexuelle, Frauen, Regierungskritiker aber massiven Repressionen ausgesetz t.

Die Grünen waren aber mal kompromissbereiter.

Peter: Wir wollen die Symbolpolitik der Bundesregierung nicht mittragen, sondern fordern Lösungen, um Asylanträge schneller zu bearbeiten und die Integration endlich voranzubringen. Ich gehe davon aus, dass die Länder im Bundesrat nicht zustimmen werden.

Der Innenminister sagt, Verfolgte könnten trotzdem noch Schutz suchen.

Peter: Das sagt er so. Aber mit dieser Regelung wird die politische Verfolgung dort relativiert. Und es ist ein Ammenmärchen, dass Asylanträge von Menschen aus als sicher eingestuften Herkunftsstaaten mit der gleichen Qualität geprüft werden.

Wären Sie dennoch zu einem Deal mit der Regierung bereit?

Peter: E s gibt keine Bereitschaft für einen Deal. Wir haben häufiger mit der Bundesregierung beraten, wie man die Situation der Asylsuchenden verbessern kann. Oft hat das eher zu Verschärfungen als zu Verbesserungen geführt, oder Verabredungen wurden nicht eingehalte n . Das ganze Interview lesen Sie auf www.saarbruecker-

zeitung.de/berliner-buero

Meinung:

Botschaft der Begrenzung

Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß

Algerien, Tunesien und Marokko zählen nicht zu den Ländern, in denen Demokratie und Menschenrechte groß geschrieben werden. Das weiß man auch in der großen Koalition. Insofern haben die Grünen Recht, wenn sie dem Bündnis vorwerfen, einen Teil der wahren politischen Gegebenheiten in diesen Staaten zu ignorieren. Es stimmt, die Einstufung als sicher relativiert die Verfolgung, die es in den Maghreb-Staaten gibt. Vielleicht wird sie sogar die Machthaber ermuntern in ihrem Vorgehen gegen Andersdenkende. Doch die Botschaft, die Union und SPD senden wollen, zählt mehr als die Realitäten: Seht her, wir tun etwas zur Begrenzung der nach Deutschland kommenden Asylsuchenden. Allemal, seit in der Kölner Silvesternacht offenbar insbesondere Asylsuchende aus Nordafrika straffällig wurden. Die Probleme werden durch die Neuregelung aber nicht gelöst werden.

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