Deutscher bespaßt das Reich der Mitte

Shanghai · „Afu Thomas“ ist ein deutscher Internethit in China. Der 28-Jährige parodiert in Videos chinesische Stereotype und erzählt über das Leben in Deutschland. Musste er dafür den chinesischen Humor erst lernen?

 Thomas Derksen in seiner Rolle als „Afu Thomas“. Foto: dpa

Thomas Derksen in seiner Rolle als „Afu Thomas“. Foto: dpa

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Wenn man als Ausländer eine chinesische Frau heiratet, muss man sich auf einiges gefasst machen: Auf die neugierige Schwiegermutter, die endlich Enkel mit großen Augen haben möchte. Oder auf den rauchenden Schwiegervater, dem der Angetraute erstmal das Gehalt und die Besitztümer aufzählen muss. Alles Stereotype, in die Thomas Derksen aus Marienheide in Nordrhein-Westfalen für seine Videos schlüpft. Und damit hat er in China einen wahnsinnigen Erfolg.

Über 1,4 Millionen Fans hat der 28-Jährige mittlerweile auf verschiedenen Kanälen in sozialen Netzwerken. Auf den Videoplattformen wie QQ, Meipai oder Weibo wurden die kurzen Filme von "Afu Thomas", so sein Spitzname, über 100 Millionen Mal geklickt. Der chinesische Humor sei natürlich ganz anders als der europäische, erklärt der 28-Jährige. "Er ist lauter und übertriebener. Deutscher Humor ist eher leise." Um Chinesen zum Lachen zu bringen, müsse man viel Gestik einbauen und laut sprechen. Eher stilles Kabarett hätte es in der Volksrepublik schwer.

Derksen lebt mit seiner Frau in Shanghai . Mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen gibt er für die chinesische Vorstellung eigentlich einen typischen "laowai", einen Ausländer, ab. Wäre da nicht sein perfektes Mandarin, sogar mit Shanghai-Akzent. Bereits während seines Studiums in der asiatischen Metropole war er häufiger Gast in einer chinesischen Talkshow, um über das Alltagsleben in Deutschland zu berichten. Als die Sendung aber abgesetzt wurde, begann er zusammen mit seiner Frau selbst Videos zu produzieren. "Mein erstes Video war über deutsches Gemüse, Fenchel und Blaukraut und so." Das nächste Video über die chinesischen Stereotype habe sich wie ein Lauffeuer in den Netzwerken verbreitet.

"Natürlich spielt mit rein, dass ich in einem fremden Land lebe", erklärt Derksen. In Deutschland gebe es schließlich auch Komiker, die aus ihrem Migrationshintergrund schöpfen. "Das bietet viel Stoff." Dabei gebe es auch Tabuthemen. "Dass man politische Witze macht, wäre hier nicht möglich." Zumindest nicht als Ausländer im Internet. In China wachse die Komiker-Szene trotzdem.

Obwohl er in seinen Sketchen die chinesische Klischeekiste aufmacht, habe ihm das noch niemand wirklich übel genommen, sagt der 28-Jährige. "Hasskommentare unter den Videos wie in Deutschland oder den USA gibt es gar nicht. Das finde ich wirklich bemerkenswert." Nur eine Frau habe sich mal über seine Darstellung der typischen Shanghaierin beschwert. Manche Themen stehen aber doch auf der Giftliste des chinesischen Humors. erklärt der Schweizer Sinologe Harro von Senger. Das Gedicht von Jan Böhmermann auf den türkischen Präsidenten wäre im chinesischen Fernsehen nicht ausgestrahlt worden.

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