Die sagenumwobene Wetterstation der Nazis

Moskau · Messgeräte mit Hakenkreuzen sind geblieben von der Wetterstation der Nazis. Die Wehrmacht errichtete sie in der kargen Arktis-Landschaft – um die Bewegung der Truppen zu planen. Heute suchen Wissenschaftler nach Spuren.

 Die Überreste der Wetterstation der Wehrmacht. Foto: dpa

Die Überreste der Wetterstation der Wehrmacht. Foto: dpa

Foto: dpa

Die Umgebung lebensfeindlich, der Name eine Tarnung, die Position streng geheim: Mit einem spektakulären Auftrag landen deutsche Forscher und Soldaten im September 1943 in der Arktis . In der Basis "Schatzgräber" sammeln sie Wetterdaten für die Wehrmacht . Doch die Mission endet im Juli 1944.

72 Jahre später stehen russische Wissenschaftler in den Ruinen der sagenumwobenen Station, um ihr die letzten Geheimnisse zu entreißen. "Über die deutsche Polar-Operation existieren viele Mythen, aber wenige Belege", sagt Expeditionsleiter Jewgeni Jermolow.

Ein Bild der Verwahrlosung bietet sich heute an dem Ort, an dem einst die Wetterstation stand. Messgeräte mit Hakenkreuzen, Tarnnetze und Kanister, rostige Handgranaten und Springminen liegen im Geröll der Insel Alexandraland. Etwa 500 Gegenstände seien eingesammelt worden, sagt Jermolow. Sie sollen im Museum des Nationalparks "Russische Arktis " ausgestellt werden. "Für seinen Krieg brauchte Hitler-Deutschland damals Daten aus der Arktis , die ja als Wetterküche gilt", erzählt der Forscher. Die Messergebnisse sollten helfen, die Bewegung von Truppen , Kriegsgerät und Schiffen besser zu planen. "Da Moskau nichts an das verfeindete Berlin lieferte, bauten die Deutschen ihre eigenen Messstationen in der Arktis auf." Bis zum Juli 1944 geben die Meteorologen mehr als 700 Wettermeldungen durch, die sie mit Sonden und Ballons erstellt hatten.

Die Bezeichnung "Schatzjäger" sei ein reiner Codename gewesen, meint der Expeditionsleiter. "Es ging um Geheimhaltung. Es gab keinen Schatz. Die rauen Lebensbedingungen auf der Insel werden den Forschern schließlich zum Verhängnis. Im Mai 1944 töten die Männer einen Eisbären und verzehren sein Fleisch fast roh. Ein fataler Fehler. Fast das gesamte Team erkrankt an einer Infektion. Unter großen technischen Schwierigkeiten wird "Schatzgräber" am 11. Juli 1944 evakuiert und die Mannschaft in Norwegen gepflegt. Für die Sowjetunion ist die Basis nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst weniger interessant. Erst 1990 gelingt es mit den Notizen des deutschen Forschers Rudolf Garbaty, die noch von der alten Mannschaft gelegten Minen rund um die Station zu entschärfen.

Seitdem kommen wieder öfter russische Experten in die Polarregion, aber nicht nur aus militärhistorischen Gründen. Moskaus Interesse an der Arktis ist nicht zuletzt wirtschaftlicher Natur. Es geht um gigantische Öl- und Gasvorräte. Sowohl der Klimawandel, der das Eis schmelzen lässt, als auch modernere Techniken machen das Fördern bisher unzugänglicher Bodenschätze im Meer realistischer. Aber auch strategisch rüstet Russland in der Arktis auf. 2015 stellte die Atommacht eine Militärbasis fertig, in der 150 Soldaten eineinhalb Jahre lang autonom leben könnten. Ihre Position: Alexandraland. Nicht weit vom einstigen "Schatzgräber".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort