Auf den Spuren eines Chamäleons

London · Gestern wäre David Bowie 70 Jahre alt geworden. Vor knapp einem Jahr ist die Musiklegende an Leberkrebs gestorben. Nun bietet ein Londoner Musiker einen David-Bowie-Musikspaziergang an.

 Fans legen noch immer Blumen vor dem Wandgemälde von Bowie im Londoner Süden ab. Foto: dpa

Fans legen noch immer Blumen vor dem Wandgemälde von Bowie im Londoner Süden ab. Foto: dpa

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Der Mann steht lange in der Stansfield Road vor dem Haus mit der Nummer 40. Geht durch das Eingangstor, versucht einen Blick durch das Fenster ins dunkle Innere zu werfen. Doch die Jalousien sind heruntergezogen. Die Straße im Londoner Süden könnte als Musterexemplar für britische Wohnsiedlungen dienen. Verwechselbare Reihenhäuser, viel Backstein. Nur, die Nummer 40 ist längst inoffizieller Pilgerort und Teil der Musikgeschichte. Hier wurde David Robert Jones geboren. Und es war hier, wo das spätere Chamäleon der Popkultur schon früh seine Lust am Stilbruch, an Mode, am Verkleiden entdeckte. Als Dreijähriger wühlte er sich etwa durch den Make-up-Kasten seiner Mutter und bemalte sein Gesicht mit Lippenstift und Lidschatten. Die Mutter ermahnte ihn, dass man sich als Junge nicht schminken solle und zum Glück für die Musik- und Kulturwelt ignorierte David Bowie ihren Rüffel.

Der 46-jährige Mann, der an diesem Januarabend andächtig auf das Haus starrt, stammt aus Schottland. Er kennt die Make-up-Anekdote. Eigentlich, so sagt er, kenne er so ziemlich alle Geschichten. "Ich bin ein Fan, seit ich denken kann." Als er starb, sei eine Welt für ihn zusammengebrochen. Nun wolle er, anlässlich des ersten Todestags am 10. Januar, die wichtigsten Plätze abgehen, die mit dem Pop- und Rockstar in Verbindung stehen. Und tatsächlich, in der Metropole stolpern aufmerksame Musikfans an jeder Ecke über denkwürdige Bowie-Orte, insbesondere im Viertel Brixton, wo Bowie aufgewachsen ist. Deshalb bietet der Brite Nick Stephenson seit gestern fünf Mal pro Woche einen musikalischen Spaziergang an. Der 32-Jährige ist selbst Musiker und will deshalb den Soundtrack zu seiner Tour liefern.

In Brixton im Süden Londons, wo Alteingesessene, Studenten und Künstler heute mit jedem Tag ein Stück mehr den Kampf gegen die zunehmende Gentrifizierung des mittlerweile hippen Viertels verlieren, hat Bowie die ersten sechs Lebensjahre verbracht. Dann zog die Familie nach Bromley. Trotzdem sprechen die Südlondoner von Bowie als "unserem Brixton-Jungen", wie das lokale Kino damals in großen Lettern auf ihre Anzeige schrieb. Vor dem "Ritzy Picturehouse" sind nach der Todesnachricht vor einem Jahr tausende Fans zusammengekommen und sangen "Starman", "Heroes" und andere Hits. Auch Nick Stephenson macht hier mit seiner Tour Halt, immerhin haben sich in diesem Kino Bowies Eltern kennengelernt.

 Vor einem Jahr starb die Musiklegende an Krebs. Foto: dpa

Vor einem Jahr starb die Musiklegende an Krebs. Foto: dpa

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Nur kurz nachdem der Rock- und Popstar von seiner Leberkrebs-Erkrankung erfuhr, besuchte Bowie mit seiner Frau Iman und Tochter Lexi in geheimer Mission und unentdeckt ein letztes Mal die britische Hauptstadt. Sie gingen die Orte ab, von denen nun auch Nick Stephenson einige ansteuert. Und wahrscheinlich erzählte auch Bowie seiner Familie von Erlebnissen in jungen Jahren, während sie durch Brixton, Bromley und andere für ihn bedeutende Viertel wie Soho und Hammersmith spazierten. Gestern wäre Bowie 70 Jahre alt geworden.

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