18 Jahre mit einer falschen Mutter

Jacksonville · Er zählt zu den spektakulärsten Entführungsfällen der USA. Nach 18 Jahren ist er nun aufgeklärt. Gekidnappt wurde ein Baby kurz nach der Geburt. Jetzt wurde die junge Frau gefunden – und die Täterin, die sie für ihre Mutter hielt, sitzt in Haft.

In der Gefriertruhe von Shanara Mobley stapeln sich kleine Pappteller, auf denen kleine Kuchenstücke mit Alufolie eingewickelt sind. Jedes Jahr hat die Frau aus Jacksonville im US-Bundesstaat Florida einen Geburtstagskuchen für ihre Tochter Kamiyah gebacken. Jedes Jahr am 10. Juli hat sie ein Stück abgeschnitten und eingefroren. "Happy Birthday" konnte sie niemals singen. Kamiyah war nur acht Stunden nach der Geburt entführt worden.

Jetzt, 18 Jahre später, hat die Polizei die junge Frau gefunden. Nach Einschätzung von Nachbarn gut erzogen, unauffällig aufgewachsen, absolvierte sie die High School und sollte bald ein Technisches College besuchen. Sie wusste 18 Jahre lang von nichts, hielt eine eigentlich fremde Frau für ihre Mutter. Einer der spektakulärsten Fälle von Kindesentführung in den USA ist damit aufgeklärt. "Wir haben eine Reihe von Tipps bekommen", beschrieb Sheriff Mike Williams die letzten Schritte einer lange Zeit hoffnungslos erscheinenden Ermittlung. Es war wohl aufgefallen, dass mit den Papieren der jungen Frau irgendetwas nicht stimmig war. Ein schneller DNA-Abgleich, dann herrschte Gewissheit. "Es ist ein Fall, wie wir ihn in diesem Land lange Zeit nicht gesehen haben", sagte Williams.

Und die USA haben einiges gesehen. Jedes Jahr werden dort nach Angaben des Internationalen Zentrums für vermisste Kinder 460 000 Jungen und Mädchen als vermisst gemeldet. Inzwischen bekommen Mutter und Kind in vielen Krankenhäusern Alarm-Armbänder, die ein Signal auslösen, sobald sie sich auf eine bestimmte Distanz voneinander entfernen.

Die Geschichte von Kamiyah klingt unglaublich: Unmittelbar nach der Geburt des Mädchens hatte sich eine Frau ans Wöchnerinnenbett der erst 16 Jahre alten Mutter gesellt. Acht Stunden nach der Geburt schlich die Frau mit dem Kind auf dem Arm, verkleidet als Krankenschwester, aus der Klinik. Die Großmutter war der Frau noch auf dem Flur begegnet. "Ich hatte Verdacht geschöpft, weil sie eine Handtasche umhatte", sagte die Frau vor acht Jahren einer lokalen Zeitung. Doch da war es schon zu spät. 20 Minuten später zog die Polizei alle Register. Hubschrauber kreisten über der Klinik, jeder einzelne Raum der Klinik wurde von Beamten durchkämmt. Auf den Autobahnen machten Leuchtschilder die Autofahrer darauf aufmerksam: "Achtung! Kindesentführung!" 250 000 Dollar Belohnung wurden für sachdienliche Hinweise ausgesetzt. Nichts brachte etwas. Täterin und Opfer blieben verschwunden.

Begegnung auf Polizeiwache

Die Chancen, dass die leibliche Mutter der 18-Jährigen bald den Geburtstagskuchen auftauen kann, stehen nicht schlecht. Die junge Frau habe bereits mit ihrer echten Verwandtschaft im drei Autostunden entfernten Jacksonville telefoniert, berichtete die "Times Union". Darauf fuhren die Eltern die 200 Meilen nach South Carolina. Nach Informationen örtlicher Medien kam es zu einem Treffen in der Polizeistation von Walterboro.

Die 51-jährige Entführerin sitzt derweil nur eine Meile vom Ort des Treffens in Haft. Beim ersten Gerichtstermin war die Tochter nach Informationen der "Times Union" sogar dabei. Sie habe ihrer Kidnapperin, die sie ihr Leben lang für ihre Mutter hielt, versichert: "Ich liebe dich und ich bete für dich."

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