Vom Sportler zum Sänger

Berlin · Ex-Gewichtheber Matthias Steiner tauscht die Hantel gegen das Mikro. So stellt er sich in die Reihe von Prominenten, die ihr eigentliches Feld verlassen. Was steht dahinter?

(dpa) Die Welt ist voller Multitalente, manchmal auch nur mutmaßlicher. Matthias Steiner - vor neun Jahren Olympiasieger im Gewichtheben - wandelt sich gerade zum Schlagerstar. Am Freitag erscheint sein Album "Zurückgeliebt". Bereits am Donnerstag ist er in der ZDF-Show "Willkommen bei Carmen Nebel" zu sehen. Der frühere Leistungssportler ist nicht der erste, der den Beruf wechselt und plötzlich das Musikgeschäft erobern will.

"So plötzlich mache ich gar nicht Musik", sagt Steiner. Er sei mit Musik großgeworden, habe Akkordeon und Klavier gelernt. "Ich hab meinen ersten öffentlichen Auftritt in der Tat mit dem Klavier gehabt - und nicht mit der Hantel." Musik habe ihn auch all die Jahre im Leistungssport begleitet. Er habe immer gern gesungen und wolle nun zeigen, was er in den vergangenen Jahren erarbeitet habe. Hans Schmucker, Sprecher bei den Marktforschern von GfK Entertainment in Baden-Baden, sagt: "Zahlreiche Schauspieler - und hin und wieder auch einige Sportler - haben bereits den Sprung in die Offiziellen Deutschen Charts geschafft." Fließend sei die Grenze zwischen Film- und Musikbranche. Es gebe sehr viele, die beide Bereiche abdeckten, sagt Schmucker. Beliebt seien derzeit etwa Teenie-Stars wie Lina Larissa Strahl ("Bibi & Tina"). In der Tat: Bei Schauspielern hat gefühlt inzwischen jeder zweite eine Gesangskarriere laufen: jüngst etwa Matthias Schweighöfer, aber auch Tom Schilling und "Tatort"-Stars wie Ulrich Tukur, Jan Josef Liefers und Axel Prahl. Fernseh-Star Anna Loos ist auch Frontfrau der Rockband Silly. Überragendes Beispiel des Genrewechsels ist im deutschsprachigen Raum wohl Herbert Grönemeyer, der mit dem Film "Das Boot" bekannt wurde und dann viele Hits landete ("Bochum", "Mensch").

International gibt es unzählige Stars, die sowohl schauspielern als auch singen, darunter etwa Johnny Depp mit der Band Hollywood Vampires. Oft müssen Schauspieler auch einfach in Musikfilmen ihr Talent unter Beweis stellen wie kürlich erst Emma Stone und Ryan Gosling in "La La Land". Marktforscher Schmucker sagt: "Viele Darsteller haben den Anspruch, sich parallel zu ihren Film- und Fernsehrollen anderweitig kreativ zu entwickeln." Manche seien auch erst Musiker gewesen und dann Schauspieler geworden. "Sportler tauchen dagegen eher seltener in den Offiziellen Deutschen Charts auf", heißt es von GfK Entertainment. "Ihre musikalischen Erfolge bleiben meist auf einmalige Aktionen beschränkt." Schmucker nennt Beispiele wie die Fußballer Franz Beckenbauer, Dante und Lukas Podolski. Eine Ausnahme bilden demnach Schlagerkünstler wie der frühere Skirennläufer Hansi Hinterseer, Ex-Leichtathlet Martin Lauer oder Hans-Jürgen Bäumler, ehemals Eiskunstläufer. Sie hatten "nach ihrer Sportlerlaufbahn eine durchaus ertragreiche Zweitkarriere".

Der Kölner Kommunikationswissenschaftler Thomas Schierl, sagt: "Das ist kein neues Phänomen, dass jemand von einem Betätigungsfeld in ein anderes wechselt - Sportler gab es schon viele, denken Sie nur an Johnny Weissmüller, Arnold Schwarzenegger, Bud Spencer, Dwayne Johnson oder Jason Statham, die zu Filmstars wurden." Was sich geändert habe: Die Vielzahl und der Variantenreichtum. "Es gibt Fälle, wo das nicht ganz so auffällig ist, etwa wenn Sportler in die Medien wechseln, als Experte oder Journalist." Oft gehe es dabei darum, dass etwas von ihrer Prominenz auf die Sendung strahle.

Schierl, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln, findet das Phänomen gerade bei Sportlern einfach erklärbar: "Die haben nur ein sehr beschränktes Zeitfenster, in dem sie Geld verdienen können." Ab Ende zwanzig könne die Karriere zuende sein.

"Sportler bauen Prominenz auf. Prominenz ist ein soziales Kapital, das Aufmerksamkeit produziert. Und Aufmerksamkeit ist ein sehr knappes Gut in unserer Gesellschaft. Und das kann man in Geld umwandeln. Und wenn ich das in meinem eigenen Gebiet nicht mehr kann, kann ich die Prominenz, die ich erstmal per se habe, als Startkapital auch in einen anderen Bereich mitnehmen (…)", erklärt Schierl.

So sieht es auch Matthias Steiner: "Ich hab' in den letzten Jahren gemerkt, wie viel ich bewegen kann." Wenn man eine öffentliche Stimme bekomme, über den Sport, dann auch mit TV-Auftritten und Büchern, dann sei das großartig, diese zu nutzen.

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