Regierung ignorierte Fischzucht-Risiken

Völklingen · Rechtliche und finanzielle Risiken meldete das Innenministerium bereits 2007 für das Projekt der Völklinger Meeresfischzucht an. Trotzdem blieb ein Widerspruch der Kommunalaufsicht aus.

 Euphorie beim ersten Spatenstich im Jahr 2009: Mittlerweile hat sich die Völklinger Meeresfischzucht zum Millionengrab für die Mittelstadt entwickelt. Foto: Becker & Bredel

Euphorie beim ersten Spatenstich im Jahr 2009: Mittlerweile hat sich die Völklinger Meeresfischzucht zum Millionengrab für die Mittelstadt entwickelt. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Mehr als 20 Millionen Euro hat die Stadt Völklingen in den Becken der Meeresfischzucht versenkt. Diese soll nach einem Stadtratsbeschluss bis Ende Juni abgewickelt werden. Das Vorzeigeprojekt ist zu einem finanziellen Desaster für die Mittelstadt geworden.

Doch nun zeigt sich, dass die Risiken der Meeresfischzucht bereits beim Projektstart bekannt waren. Der damalige Staatssekretär im Innenministerium, Gerhard Müllenbach (CDU ), hatte schon 2007 in einer Besprechung mit Vertretern der Stadt Völklingen den Stadtratsbeschluss zur Fischzucht als rechtswidrig bezeichnet. Grundlage für seine Einschätzung war ein interner Vermerk des Innenministeriums vom 22. Juni 2007, in dem "rechtliche Bedenken" angemahnt wurden. Das belegt die Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion an die Landesregierung. Auch von Bedenken des Innenministeriums angesichts des "mit dem Vorhaben verbundenen finanziellen Risikos" ist in der Antwort die Rede.

Trotz dieser Hinweise hat die im Innenministerium angesiedelte Kommunalaufsicht dem Projekt nicht widersprochen. Diese Aufsicht ist angehalten zu prüfen, ob kommunale Projekte im Einklang mit Paragraf 108 des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (KSVG) stehen, das die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen einschränkt. Obwohl das Projekt Meeresfischzucht "aus dem üblichen Rahmen kommunalwirtschaftlicher Betätigung herausfiel", hat die Landesregierung angesichts des "übergeordneten Interesses des Strukturwandels" die Notbremse nicht gezogen. "Die Landesregierung hat unter Abwägung aller Interessen entschieden, dem einhelligen Willen von vor Ort zu folgen", teilt Regierungssprecher Thorsten Klein mit. Da innerhalb der Saar-Parteien schon damals weitgehend Einigkeit herrschte, das KSVG zu ändern und den Kommunen mehr wirtschaftliche Betätigung zu ermöglichen, seien in diesem Zusammenhang auch die rechtlichen Bedenken nicht mehr so groß erschienen. Am 5. Dezember 2008 trat die entsprechende Neufassung des KSVG in Kraft.

Heinz Bierbaum, parlamentarischer Geschäftsführer der Linkspartei, kritisiert den damaligen Zweckoptimismus scharf: "Sehenden Auges wurde hier in das Desaster gesteuert", sagt er. "Dafür tragen neben dem Völklinger Oberbürgermeister die damalige Landesregierung und die damalige Innenministerin Kramp-Karrenbauer die Verantwortung."

Tatsächlich stand Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) in der fraglichen Zeit an der Spitze des Innenministeriums: Am 23. Mai 2007 hatte die Stadt Völklingen ihr Projekt bei der Kommunalaufsicht angezeigt. Weil die Aufsicht innerhalb von vier Wochen keinen Einspruch eingelegt hatte, galt das Projekt Ende Juni formal als genehmigt. Doch auch nach dieser Frist hätte die Regierung noch intervenieren können, sagt Regierungssprecher Klein. Das sei noch bis Dezember möglich gewesen. Zu der Zeit hatte Klaus Meiser (CDU ) Kramp-Karrenbauer an der Haus-Spitze abge löst.

Meinung:

Karten müssen auf den Tisch

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Als das Projekt Fischzucht 2007 an den Start ging, war die Euphorie in der Politik groß. Das revolutionäre Projekt schien die Patentlösung zu sein, die notleidende Stadt Völklingen neu erblühen zu lassen. Bedenken angesichts der rechtlichen und finanziellen Risiken passten nicht ins Bild - und wurden einfach ignoriert. Jetzt zeigt sich, dass die Politik mit ihrer Gesetzesänderung zu optimistisch war. Zwar hat diese auch ein Erfolgsprojekt wie den Bostalsee ermöglicht, ebenso aber auch das Desaster Fischzucht, bei dem ohne jede Kontrolle Millionen versenkt wurden. Jetzt ist es Zeit, die Fehler aufzuarbeiten und Verantwortliche zu benennen. Dafür muss die Landespolitik jetzt die Karten offen auf den Tisch legen.

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