Junckers 315-Milliarden-Plan - EU-Kommissionspräsident wirbt für sein großes Investitionsprogramm

Straßburg · Jean-Claude Juncker will den großen Hebel ansetzen, um das Wirtschaftswachstum in Europa anzuschieben. Der EU-Kommissionspräsident plant einen neuen Fonds, der privates Kapital mobilisieren soll.

Frisches Geld für Europa wird es nicht geben - trotz des Investitionsplans, den Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestern in Straßburg dem EU-Parlament vorstellte. Zwar fällt er mit 315 Milliarden Euro innerhalb der nächsten drei Jahre noch etwas höher aus als angekündigt. Doch die Summe ist keine Finanzspritze der EU, sie beziffert die Höhe der erhofften Investitionen, die aus der Wirtschaft mobilisiert werden sollen. Zur Freude der Christdemokraten und des deutschen Finanzministers soll das ganz ohne neue Schulden möglich sein.

Ein neu zu schaffender Investitionsfonds soll mit umgewidmeten EU-Haushaltsmitteln und mit Geld von der Europäischen Investitionsbank (EIB) gefüllt werden und Privatinvestoren das größte Projektrisiko abnehmen. Dann, so das Kalkül, würden diese ihre Portemonnaies öffnen. "Wir haben ein Problem bei der privaten Risikobereitschaft", sagt EIB-Chef Werner Hoyer , "deshalb müssen wir als Bank der EU ein höheres Risiko eingehen." Öffentliches Geld in Höhe von 21 Milliarden Euro soll dann Kapital in Höhe der geplanten 315 Milliarden Euro anlocken.

Für Hoyer ist dieser Hebelfaktor von 15 konservativ geschätzt. Als Beispiel nennt er die Kapitalerhöhung für die EU-Hausbank vor zwei Jahren: Mit den zehn Milliarden Euro mehr an Stammkapital werde man über Kreditfinanzierungen bis Ende 2015 private Investitionen von 200 Milliarden Euro angestoßen haben - was einem Faktor von 20 entspricht.

Europaweit sind von einer Expertengruppe bereits 800 Projekte als Anlagemöglichkeit für private Geldgeber ausgemacht worden. Gefördert werden sollen vor allem Verkehrsprojekte, die Energie- und Digitalwirtschaft sowie Bildung und Forschung. Auch sollen besonders kleine und mittelständige Unternehmen unterstützt werden. Schließlich, versprach Juncker, würden verkrustete Regulierungen aufgebrochen und Bürokratie abgebaut. Für den Erfolg des Programms brauche es aber die Unterstützung der Mitgliedsstaaten. "Wir brauchen eine Koalition der Investitionswilligen."

Die kam gleich von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ): "Endlich ändert sich die Politik in Europa", sagte er. Der Plan Junckers lege den Schalter um Richtung Wachstum und Arbeit. "Wir schlagen vor, dass Deutschland der Einladung von Juncker folgt und sich auch an den neu geschaffenen Fonds beteiligt."

Auch die Chefs der großen Fraktionen im EU-Parlament lobten den Juncker-Plan als positives Signal für Investoren und Bürger. Linke, Rechtspopulisten äußerten hingegen Zweifel an der Wirksamkeit des Programms. So verspottete der Linken-Parlamentarier Fabio das Vorhaben als "Juncker-Voodoo". Juncker dürfte aber schmerzen, dass auch im eigenen Lager kritische Töne zu hören sind. "Der Investitionsplan steht auf tönernen Füßen", sagte zum Beispiel die CDU-Frau Inge Gräßle, die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses. Der zuständige EU-Kommissar Jyrki Katainen sprang Juncker bei und sagte: "Der Plan ist kein Zauberstab". Jetzt komme es vor allem auf die begleitenden Reformen in den EU-Mitgliedstaaten an.

Im Juni 2015 soll der neue Fonds funktionsfähig sein. Auf ihrem nächsten Treffen im Dezember sollen die EU-Staats- und Regierungschefs die Pläne bereits auf den Weg bringen.

Meinung:
Große Chancen, große Risiken

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Der frisch gewählte Präsident der EU-Kommission greift in die Trickkiste. Die EU soll, so der Plan Jean-Claude Junckers, ins Risiko gehen und mit einem neuen kleinen Fonds privates Kapital in großen Mengen mobilisieren. Auf den ersten Blick mutet das nach Zauberei an, kann aber durchaus funktionieren. Manchmal brauchen scheue Investoren nur einen Anstoß, um ihr Geld lockerzumachen. Doch es bleiben auch Zweifel. Junckers großer Hebel könnte schnell klemmen. Solange die Mitgliedsstaaten die nötigen Reformen ihre Sozialsysteme, Arbeitsmärkte und Bürokratien nicht anpacken, wirkt möglicherweise nicht mal die raffinierteste Zauberei .

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