Nobelpreis für Glücks-Forscher

Stockholm · Wie kann man Armut messen? Sind Menschen glücklicher, je mehr Geld sie verdienen? Mit diesen Fragen hat sich Angus Deaton befasst. Für seine Antworten bekommt er den Nobelpreis.

Macht Geld glücklich? Ganz im Gegensatz zum Volksmund lautet die Antwort der Wissenschaft: Ja. Allerdings nur bis zu einem gewissen Einkommensniveau . Das subjektive Glücksgefühl der Menschen steigt bis zu einem Netto-Jahresverdienst von 75 000 US-Dollar - also umgerechnet 66 000 Euro jährlich oder 5500 Euro monatlich. Jedes weitere Einkommensplus sorgt nicht für mehr zusätzliches Wohlbefinden. Der Grund: Stress im hochbezahlten Job und zu wenig Freizeit, auch für Familie und Freunde, schränken die Zufriedenheit ein. Diese Erkenntnis verdankt die Wissenschaft dem britischen Konsumforscher Angus Deaton, der den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis bekommen hat.

Deaton gilt als einer der bekanntesten Forscher in der Gesundheits-, Entwicklungs- und Wohlfahrtsökonomie. In einer Studie mit dem Nobelpreisträger Daniel Kahneman erforschte Deaton 2010 den Zusammenhang von Geld und Glück und legte diese Schwelle fest. Die Studie bestätigte aber auch, dass geringes Einkommen Menschen unzufrieden und unglücklich macht. Deaton habe die Analyse von international vergleichenden Umfragen zur Lebenszufriedenheit "bei den Ökonomen salonfähig gemacht", sagt Gert G. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Schon immer hat Deaton sich in seiner Forschung auf Wohlstand, Armut und Konsum konzentriert. Damit hatte er auch Einfluss auf die Politik. Deaton beschäftigte sich mit der Frage, wie Konsumenten ihr Geld für den Kauf verschiedener Güter aufteilen. Mit seiner Methode konnte man beurteilen, welche soziale Schichten am meisten etwa von einer Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel betroffen sind. Oder wer die Gewinner und Verlierer von Einkommenssteuer-Änderungen wären.

Das Nobelpreis-Komitee lobt: "35 Jahre später sind diese Ansätze Standard, um die Wirkung von Wirtschaftspolitik zu messen, Preisindizes festzulegen oder den Lebensstandard verschiedener Länder zu vergleichen." Um Wohlstand zu mehren und Armut zu bekämpfen, müsse man individuelle Konsumentscheidungen verstehen.

Wegweisend war der neue Ansatz, den der gebürtige Schotte Deaton, der an der US-Eliteuniversität Princeton lehrt, in den 80er Jahren wählte. Er forschte an der Frage, wann Bürger sparen und wann sie in Einkaufslaune sind. Dabei ging er vom individuellen Einkommen aus statt vom Volkseinkommen oder einem repräsentativen Durchschnittsverbraucher, wie es zuvor üblich war. Solche Haushaltsbefragungen sind heute Standard in der Wissenschaft.

Deaton belegte, dass Mangelernährung kein Auslöser für Armut , sondern eine Folge davon ist. Zudem fand er Hinweise, dass Eltern bei einem sich verschlechternden Einkommen unter ihren Kindern Mädchen benachteiligen und Jungen bevorzugen - etwa bei Ernährung und Bildung. "Seine Forschung umfasst Fragen von großer Bedeutung für den Wohlstand der Menschen", schreibt die Nobelpreis-Jury. Der frischgebackene Preisträger gab sich am Telefon nachdenklich und sagte: "Es ist immer noch eine Menge zu tun. Für viele, viele Menschen in der Welt stehen die Dinge sehr schlecht." Mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingskrise erinnerte er an "Jahrhunderte ungleicher Entwicklung" zwischen reichen und armen Regionen.

Derzeit arbeitet der 69-jährige Nobelpreisträger seinem Lebenslauf zufolge an der Frage, welche Rolle Glücksmessung in der Politik spielen könnte. "Deaton steckt noch mitten in der Forschungsleistung, von ihm ist noch viel zu erwarten", sagt Christoph Schmidt, Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI).

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