Der erste Tag als Azubi

Saarbrücken · Raus aus der Schule, rein in die Ausbildung – das ist eine große Umstellung. Kein Wunder, dass manche Bammel vor dem ersten Tag haben. Wir haben zwei Azubis begleitet. Und am Ende war doch alles halb so schlimm.

"Das Shampoo ist noch nicht ganz raus", bemerkt Tanja Reichert, als sie dem Puppenkopf im Friseursalon die Haare kämmt. Also noch mal ans Waschbecken, nicht alles läuft am ersten Tag perfekt. Die 16-Jährige, die am 1. August im Haarhaus Dirk Lange ihre Ausbildung zur Friseurin begonnen hat, verhält sich ansonsten nahezu routiniert. Als das Shampoo komplett ausgewaschen ist, greift sie zum Föhn, testet die Temperatur auf ihrem Handrücken und beginnt die erste Strähne abzuteilen. Gekonnt benutzt sie die Rundbürste und föhnt dem Puppenkopf die Haare glatt. "Das hat Hand und Fuß", findet Stylistin Vanessa Schreck. Doch dann muss sie einhaken: "Den Pony föhnen wir normal zuerst", sagt Schreck und sprüht die Strähnen wieder nass.

Kaum eine Stunde nach Arbeitsbeginn darf Tanja Reichert dann schon an einen Kunden - das hatte sie nicht erwartet, erzählt sie im Nachhinein. Haare waschen, trocknen, Umhang anlegen und Kopf massieren heißt die Aufgabe. Der Kunde schließt die Augen und genießt. Hin und wieder erklärt Ausbilderin Schreck Handgriffe und gibt Tipps. Passieren Fehler am Kunden , greift sie ein und korrigiert. Etwas mehr Selbstständigkeit erwartet sie jedoch, was die Ordentlichkeit im Laden betrifft. Herumliegende Zeitschriften und durstige Kunden sollten Auszubildende selbst sehen, sagt sie. Reichert fühlte sich gut aufgenommen, berichtet sie später: "Wenn etwas unklar ist, kann ich fragen. Die Unterstützung im Team hat mir die Angst genommen. Ich habe das Gefühl, dass ich hier richtig bin."

Auch der 20-jährige Marius Hauth aus Niederbexbach konnte die anfängliche Nervosität ablegen. "Ich war ein bisschen aufgeregt, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommt", sagt der Auszubildende, der bei der Firma Konstruktiv Laden- und Metallbau in den Ernst des Lebens gestartet ist. Um sieben Uhr morgens begann sein erster Arbeitstag zunächst ganz trocken: Hausordnung unterschreiben, ein Rundgang durchs Haus, Schutzkleidung entgegennehmen. Damit ging es dann mit den Kollegen auf eine Baustelle - Montage war angesagt. Am ersten Tag auf einer Baustelle anpacken zu dürfen, hat Hauth besonders gut gefallen. Acht Meter lange dunkelrote Stahlträger sollten auf ein Haus gesetzt werden, um ein Dach zu erneuern. Die Träger ersetzen dabei eine alte Holzkonstruktion, die bislang die Decke der darunter liegenden Etage gehalten hat.

Langsam hebt der Kran den sechs Tonnen schweren Träger in die Luft, Hauth steht auf dem Dach, schnappt sich ein daran befestigtes Seil und lenkt. "Das Gute ist, dass er wach ist und sieht, was die anderen machen", lobt Geschäftsführer Michael Shilad seinen Azubi, der offensichtlich mitdenkt. Ein Kollege zeigt mit nach unten gerichteten kreiselndem Zeigefinger dem Kranführer an, abzusenken. Fast ohne Worte versteht sich das fünfköpfige Team. Einer zieht, zwei schieben, "noch drei Zentimeter", dann sitzt der Träger an der richtigen Stelle - Millimeterarbeit mit einem wuchtigen Teil. Neben der groberen Arbeit, einen solchen Träger in der Werkstatt zu fertigen, ist Fingerspitzengefühl etwa bei der Konstruktion kleiner filigraner Teile, wie Haken oder Ganzglasgeländern, gefragt. "Die Kunst ist es, die Kraft einzuschätzen", sagt Shilad. Der Einstieg in den abwechslungsreichen Beruf aus Fertigung und Montage, aus Grobheit und Feingefühl, ist dem Neuling Hauth gelungen: "Es war ein interessanter Tag." Mehr offene Stellen und weniger Bewerber bei Ausbildungsberufen, das ist die Bilanz von Agentur für Arbeit (BA), Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer im Saarland. Für den Ausbildungsbeginn in diesem Jahr wurden der Arbeitsagentur 6100 Stellen gemeldet, doch nur 5800 junge Menschen haben die Agentur bei der Suche eingeschaltet. 900 Personen seien weiterhin auf der Suche, 1200 Ausbildungsstellen warten auf einen passenden Bewerber - es gibt also noch Chancen. Viele freie Stellen gibt es laut BA im Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch im Verkauf und im Friseurhandwerk. Ebenso werden noch zahnmedizinische Fachangestellte gesucht.

Die Handwerkskammer (HWK) berichtet von aktuell etwa 450 offenen Stellen. Die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge im Handwerk (Stand: 17. August) beläuft sich auf 1711. Das sind 1,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) verzeichnet einen Rückgang von 5,34 Prozent bei den neuen Azubis: 3386 Personen unterschrieben einen Ausbildungsvertrag (Stand: 29. August). Die Kammern erklären den Rückgang mit dem Mangel an (geeigneten) Bewerbern.

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