Das Handwerk wehrt den Anfängen

Saarbrücken · Versuche der EU, den Meisterbrief im Handwerk erneut auf den Reform-Prüfstand zu stellen, stoßen bei den Kammern auf Widerstand. An ihrer Seite wissen sie auch die Kanzlerin.

 Vor allem die Fliesenleger leiden darunter, dass es in ihrem Handwerk keinen Meisterzwang mehr gibt. Foto: Fotolia/Kadmy

Vor allem die Fliesenleger leiden darunter, dass es in ihrem Handwerk keinen Meisterzwang mehr gibt. Foto: Fotolia/Kadmy

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Die Aktion läuft zwar unter dem Motto "wehret den Anfängen". Dennoch wollen die Handwerks-Organisationen jedem auf die Finger klopfen, der an der derzeit gültigen Regelung des Meisterbriefs rüttelt. Die Handwerkskammern (HWK) im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Teilen Baden-Württembergs haben sich jetzt zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen, das den Titel "Ja zum Meister" trägt (wir berichteten). Grund ist nach Angaben der HWK Saar, "dass die EU erneut den deutschen Meisterbrief überprüft".

Mit einer Unterschriften-Aktion wollen die Kammern deutlich machen, "dass Brüssel davon die Finger lassen soll", sagt Georg Brenner, Hauptgeschäftsführer der Saar-Kammer. Mit Aktionskarten oder per E-Mail können sich alle an dieser Initiative beteiligen, denen das Thema am Herzen liegt. Schützenhilfe bekam das Handwerk am Freitag auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ). Sie will eine Abschaffung des Meisterbriefs nicht zulassen, betonte sie in einer Rede beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Das werde sie auch bei der neuen EU-Kommission deutlich machen.

Der Konflikt schwelt schon länger. In Brüssel kursieren Papiere, die das Handwerk nachdenklich stimmen. So heißt es in einer "Empfehlung für die Empfehlung" des zuständigen EU-Ministerrats, dass "in vielen Handwerksbranchen (…) nach wie vor ein Meisterbrief oder eine gleichwertige Qualifikation erforderlich ist, um einen Handwerksbetrieb zu führen". Aufbauend auf den Reformen von 2004 "könnte Deutschland prüfen, ob diese Anforderung in allen Fällen weiterhin gerechtfertigt ist". Brüssel hatte im Frühjahr zwar klargestellt, dass es keinen "Angriff" auf die Handwerksordnung geben soll. Unklar bleibt aber, wie weit dieses Zugeständnis reicht.

Die zehn Jahre alte Reform steckt dem Handwerk immer noch in den Knochen. Seitdem ist in 53 Berufen kein Meisterbrief mehr nötig, um einen Betrieb zu gründen und zu führen. Das gilt zum Beispiel für Fliesenleger, Raumausstatter und Gebäudereiniger (Anlage B der Handwerksordnung ). Noch für 41 Gewerke ist weiterhin ein Meisterbrief nötig (Anlage A). Es gibt allerdings Ausnahmen. So dürfen Gesellen nach sechs Berufsjahren ebenfalls einen Betrieb gründen. Außerdem kann ein Ingenieurstudium einen Meisterbrief ersetzen. Auch ist es möglich, einen Betrieb ohne Meisterbrief aufzumachen, wenn für die Geschäftsführung ein Meister eingestellt wird.

Vor allem bei den Fliesenlegern herrscht Dauerfrust. Seitdem jeder die Keramiken verlegen darf, "ist die Zahl der Pfuscher sprunghaft gestiegen", sagt Eckard Kern, Vorsitzender des Industrieverbandes Keramische Fliesen + Platten. Artur Recktenwald, Chef der Fliesenleger-Innung an der Saar, schlägt in die gleiche Kerbe. "Ein-Mann-Betriebe machen die Preise kaputt und unterhöhlen mit ihren geringen Beiträgen die Sozialkassen", ärgert er sich. Auf der anderen Seite "liefern sie oft schlechte Arbeit ab". Wenn die Bauherren die Firmen in Regress nehmen wollen, "gibt es sie häufig nicht mehr". "Das ist das Gegenteil von Verbraucherschutz ."

Meinung:

Bewährter Ordnungsrahmen

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid

Sicher gibt es in vielen EU-Ländern Wirtschaftszweige und Branchen, die mit Regulierungen so abgeschottet sind, dass Konkurrenz aus dem Ausland es schwer hat. Um das zu verhindern, gibt es die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Auch gegen ihre Überprüfung ist nichts zu sagen. Dabei sollte allerdings das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Im deutschen Handwerk hat sich ein Ordnungsrahmen bewährt, der für Verbraucherschutz und Qualitätssicherung sorgt. Außerdem wird durch das duale System eine praxisnahe Ausbildung der jungen Leute sichergestellt. Die geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland kommt nicht von ungefähr. Auch daran sollte Europa denken.

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