„Der Sonntag gehört der Familie“

Saarbrücken · Die Gewerkschaft Verdi beobachtet immer mehr Versuche im Handel, die vorgeschriebenen Ladenöffnungszeiten auszuweiten. Insbesondere der freie Sonntag dürfe nicht angetastet werden.

. Die Gewerkschaft Verdi und die Kirchen an der Saar wollen den freien Sonntag im Handel verteidigen. Es gebe immer mehr Versuche, die Ladenschlusszeiten generell, aber auch den freien Sonntag auszuhöhlen, stellte gestern Stefanie Recknagel fest, Gewerkschaftssekretärin im Fachbereich Handel für das Saarland und Rheinland-Pfalz. Ein Beispiel dafür seien Hausmessen . Auch würden Feste sowie Gebäude- und Straßeneinweihungen häufiger genutzt, um Läden zu öffnen. Nach Recknagels Ansicht sind schon die vier pro Jahr erlaubten verkaufsoffenen Sonntage an der Saar zu viele. Denn "der Sonntag gehört der Familie".

Es sei zudem ein Unding, von Beschäftigten im Handel zu erwarten, dass sie etwa an Heiligabend oder Silvester sogar bis 18 oder gar 20 Uhr arbeiten. Auch die Beschäftigten im Handel wollten Weihnachten feiern, sagt Recknagel. Die Gewerkschafterin und auch Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann von der Evangelischen Kirche der Pfalz, halten die Freizeit, insbesondere an Sonntagen, für ein besonders wertvolles und erhaltenswertes Gut. Der Mensch sei kein Arbeitstier. Er arbeite, um zu leben, nicht umgekehrt, stellt Hofmann fest. Seiner Ansicht nach soll der Sonntag weiter dazu dienen, auszuruhen, Kräfte zu sammeln und viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Wie sich Verdi den freien Sonntag vorstellt, verraten Einträge auf dem Jahreskalender 2016 der Gewerkschaft. Dort steht statt Sonntag als eingetragener Wochentag jeweils ein Begriff wie "Familienzeit, Hobbyzeit, Freunde, Ausruhen, Kuscheln, Spielzeit, Buch lesen, Theater."

Kirchenrat Hofmann freut sich besonders darüber, dass sich auch die Synagogengemeinde an der Saar an der "Allianz freier Sonntag" beteiligt. Deren Vorsitzender Richard Bermann unterstütze das Anliegen, arbeitsfreie Zeit zu erhalten. Die hiesige Synagogengemeinde sei bundesweit die einzige, die sich einbringt.

Freiwillige Sonntagsarbeit

Auch Betriebsräte unterstützen die Initiative. "Die Kollegen haben ein Recht auf ihren freien Sonntag", sagt Stefan Kuhn, Betriebsrat von Globus in Saarlouis. Er verweist auch auf höhere Belastungen in der Woche durch verkaufsoffene Sonntage. Denn neben dem Verkauf müssten zahlreiche Vor- und Nacharbeiten geleistet werden, die große Teile des Personals einbinden.

Adelheid Benner, Betriebsrätin bei Kaufland in St. Ingbert argumentiert, man habe 78 Stunden pro Woche geöffnet. Das müsse reichen. Kaufland habe sich, auch wegen dann höherer Personalkosten, entschlossen, an verkaufsoffenen Sonntagen nicht zu öffnen. Christiane Neu, Betriebsrätin bei Rewe, räumt ein, niemand werde gezwungen, an Sonntagen zu arbeiten. "Es gibt Freiwillige." Sie achte sehr genau auf die Einhaltung der Arbeitszeiten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müsse gewährleistet sein. Recknagel will bei Tarifverhandlungen 2016 darauf achten, dass die Ladenöffnungsregeln an der Saar weiter eingehalten werden.

Meinung:

Ein schwierigerSpagat

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia

Der stationäre Handel mit Kaufhäusern und Fachgeschäften muss mit dem immer erfolgreicher werdenden Online-Handel konkurrieren, der keine Ladenschlusszeiten kennt: weder die Woche über noch sonntags. Man bekommt dort hohe Flexibilität, muss aber auf Beratung durch Fachpersonal verzichten. Je mehr sich der Online-Handel durchsetzt, desto größer ist die Gefahr für Arbeitsplätze im stationären Handel. Die Gewerkschaften und Kirchen wenden sich gegen jede Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, insbesondere an Sonntagen. Die Menschen müssen Zeit haben für Familie und gemeinsame Unternehmungen. Das stimmt, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Sonntagsarbeit soll nicht die Regel sein. Doch es gibt auch gewichtige Argumente für mehr Flexibilität. Die Abend- und Sonntagsöffnung hat auch Vorteile für die Beschäftigten, weil sie angesichts des zunehmenden Online-Handels Beschäftigung sichert. Außerdem werden finanzielle Zuschläge bezahlt. Deshalb gibt es auch viele Freiwillige, die das nutzen, etwa Alleinerziehende, die so mehr verdienen können, und Frauen, die in Teilzeit einige Stunden am Abend arbeiten möchten, weil der Partner auf die Kinder aufpassen kann. An der Saar mit den besonders strengen Ladenschlusszeiten sind solche Angebote aber kaum möglich, gerade abends nicht.

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