Insolvenzverwalter: Bei Saarbrücker Dienstleister wurden Leiharbeiter wohl per Zuruf gefeuert

Saarbrücken · Bei Saar-Immo scheint es nach Angaben des Insolvenzverwalters Marc Herbert drunter und drüber gegangen zu sein. Ausstehende Löhne, fehlende Sozialabgaben, mündliche Kündigungen waren demnach an der Tagesordnung.

 Insolvenz-verwalter Marc Herbert

Insolvenz-verwalter Marc Herbert

Foto: Zimmermann

Im aktuellen Fall von mutmaßlicher Abzocke ungarischer Leiharbeiter zeigt sich immer deutlicher, wie der Saarbrücker Dienstleister Saar-Immo mit den Beschäftigten umgesprungen ist. Bereits seit knapp zwei Wochen durchforstet Insolvenzverwalter Marc Herbert die Akten des zahlungsunfähigen Unternehmens. Einen endgültigen Überblick habe er aber bislang nicht, sagt der Rechtsanwalt. Es lasse sich nicht einmal klären, wie viele Mitarbeiter der Dienstleister beschäftigt hatte beziehungsweise bis heute unter Vertrag sind. Herbert: "Es gab mündliche Kündigungen seitens der Geschäftsführung. Die sind unzulässig, weil sie per Gesetz schriftlich erfolgen müssen. Es gab in den allerwenigsten Fällen schriftliche Kündigungen." Wie viele Mitarbeiter per Zuruf gefeuert wurden, ist bisher unklar. Denn bei der Mehrzahl handelt es sich um ungarische Kollegen, die kein Deutsch sprechen und hiesige Vorschriften nicht kennen. Damit ist auch offen, steht wie viele Angestellte von der Insolvenz betroffen sind. Herbert: "Wenigstens sind es 45, es können maximal 80 sein."

Damit nicht genug: Monatelang soll Saar-Immo-Geschäftsführer Dirk Ganser Sozialabgaben schuldig geblieben sein. "Ab Juni sind keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden", berichtet der Anwalt.

Aufgeflogen war das Ganze durch Anzeigen beim Arbeitsgericht durch ungarische Leiharbeiter, die über Wochen kein Gehalt erhalten haben sollen. Wegen Betrugsverdachts ermitteln die Staatsanwälte (wir berichteten).

Unterdessen erklärt Marc Herbert, dass diese Woche 60 000 Euro Insolvenzgeld an Saar-Immo-Mitarbeiter für August ausbezahlt worden seien. Für zwei weitere Monate stehe Geld zur Verfügung. Auch jene, die zurück in ihrer Heimat sind, erhielten ihren Lohn, versichert er.

Herbert strebt an, das Unternehmen wieder für den Markt fit machen und es zum 1. Oktober aus der Insolvenz zu entlassen. Die geschätzten Verbindlichkeiten: 500 000 Euro. Allerdings gebe es Unwägbarkeiten. So hätten einige bisherige Generalunternehmer nach Bekanntwerden der Insolvenz ihre Verträge storniert. Herbert: "Das betrifft sieben Baustellen eines Auftraggebers."

Saar-Immo verleiht Arbeiter an Betriebe unterschiedlicher Branchen: von Reinigungskräften für Fitnessstudios über Fliesenleger am Bau bis Produktionshelfer in der Fleischindustrie. Wegen ausstehender Löhne standen Bauarbeiten des Zweibrücker Generalunternehmers Wolf und Sofsky in Saarbrücken für die Caritas still. Wurstwaren Schröder will am Dienstleister festhalten.

Indes distanziert sich der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) in Münster von Saar-Immo. Er weist darauf hin, dass die Saarbrücker Firma nicht als Zeit- oder Leiharbeitsunternehmen gelistet ist.

Meinung:
Schärfere Gesetze nötig

Von SZ-RedakteurMatthias Zimmermann

Leiharbeiter werden oft abgezockt. Allein im Saarland machten binnen zwei Jahren mehrere Fälle Schlagzeilen: 2013 beim Vorzeigeprojekt Ferienpark am Bostalsee, als Rumänen wochenlang um ihren Lohn gebracht wurden. Und jetzt sind es Arbeiter aus Ungarn, die auf ihr Gehalt warten. Gesetzgeber und Justiz tun sich offenkundig schwer, Scharlatane dingfest zu machen und ihnen das Handwerk zu legen. Es herrscht dringender Handlungsbedarf. Das hat die Politik inzwischen auch erkannt. Bundeswirtschaftsministerin Andrea Nahles will im Herbst mit einer Gesetzesnovelle dem Missbrauch einen Riegel vorschieben. Ob das Gesetz dann tatsächlich keine Schlupflöcher mehr lässt, muss sich aber erst erweisen.

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