Wirtschaft gegen Klima?

New York · Wenn die Wirtschaft zulegt, geht dies meist auf Kosten des Klimas – das ist zumindest die Meinung vieler Wachstumskritiker. Ein Expertenbericht zeigt: Wirtschaftskraft und Klimaschutz können sich stützen.

Wachsende Wirtschaft und besserer Klimaschutz - für die meisten Beobachter passt das nicht zusammen. Doch beide Ziele lassen sich erreichen, sagt der frühere deutsche Weltbank-Vizepräsident Caio Koch-Weser.

Wirtschaftswachstum, eine sichere Energieversorgung und Klimaschutz ließen sich gleichzeitig umsetzen - "wenn es gelingt, verlässliche politische Rahmenbedingungen zu schaffen, nachhaltige Investitionen zu tätigen und Anreize für Innovationen zu setzen".

Koch-Weser ist gemeinsam mit der Globalen Wirtschafts- und Klimakommission - einem Zusammenschluss von 24 Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft - zu diesem Schluss gekommen. Gestern stellte die Gruppe in New York ihren Bericht vor.

Die Ausgangslage ist nicht einfach: Gewaltige Gütermengen werden täglich in Containerschiffen, Flugzeugen, Lkw und Zügen um den Globus bewegt und hinterlassen einen tiefen "Fußabdruck" in der Klimabilanz. Knapp ein Viertel aller Emissionen des Treibhausgases CO{-2} sei auf die internationalen Handelsströme zurückzuführen, sagt Ulrich Hoffmann, Klimaexperte bei der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) in Genf.

Klar ist: Mehr Produktion und Handel müssen durch kluge Regulierung ergänzt werden. Von 1950 bis 2007 legte der internationale Handel nach Daten der Welthandelsorganisation WTO im Schnitt um 6,2 Prozent pro Jahr zu. Sein Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung lag vor sieben Jahren bei 21 Prozent - fünf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren es gerade mal 5,5 Prozent. Und der Boom dürfte anhalten: Analysten der britischen Großbank HSBC erwarten, dass sich der weltweite Warenhandel bis 2030 verdreifacht.

Doch nicht nur die Weltwirtschaft wird bis 2030 massiv wachsen, eine Milliarde mehr Menschen werden in Städten leben, technische Veränderungen werden ihr Leben und Arbeiten weiterhin verändern. Und umgerechnet rund 70 Billionen Euro dürften weltweit in die Infrastruktur investiert werden.

Dieses Geld müsse sinnvoll und im Bewusstsein eines stärkeren Klimaschutzes ausgegeben werden, fordern die Fachleute nun - zum Beispiel in öffentliche Verkehrssysteme. Das reduziere die Luftverschmutzung, Treibhausgas-Emissionen könnten eingespart werden. Auch in erneuerbare Energien müsse investiert werden, um die Abhängigkeit von der Kohle zu verringern. Dann ließen sich auch die Subventionen für fossile Brennstoffe abbauen.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD ) wertet den Bericht als Beleg für die besondere Rolle der erneuerbaren Energien: "Klimaschutz ist zum Wachstumsmotor geworden. Das haben wir einer ganzen Reihe von technologischen Durchbrüchen zu verdanken - nicht zuletzt bei den erneuerbaren Energien."

Doch die Studie geht in ihren Empfehlungen noch weiter: Derzeit nicht für die Landwirtschaft genutzte Flächen müssten weltweit wiederbelebt werden. Wenn das bei nur zwölf Prozent geschehe, könnten schon 200 Millionen Menschen ernährt und das Einkommen der Bauern um 40 Milliarden Dollar pro Jahr erhöht werden. Die Investitionen in die Erforschung und Entwicklung klimafreundlicher Technologien sollten den Forderungen der Experten zufolge außerdem verdreifacht werden.

Wenn dies alles konsequent umgesetzt würde, könnte es das Weltwirtschaftswachstum bereits in den kommenden fünf bis 15 Jahren deutlich stärken, heißt es in dem Bericht. Bislang handelt es sich allerdings nur um Vorschläge. Nun wollen die Experten weltweit für ihre Ideen werben.

Meinung :

Nur ein schöner Traum

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Die Vorstellung, dass in dreißig Jahren bei hohem Wirtschaftswachstum die Klimabelastung sinkt, ist schön, aber wird wohl nur ein schöner Traum bleiben. Schon jetzt zeigt sich ja, dass es kaum möglich ist, Regeln zur CO{-2}-Reduzierung wirksam weltweit durchzusetzen. Und selbst die Länder, die ihren eigenen CO{-2}-Ausstoß senken, rechnen sich diesen schön, weil sie Belastungen in die Schwellenländer verschieben.

Sicher wird es möglich sein, durch neue technologische Entwicklungen die Klimabelastung zu reduzieren. Sobald dies allerdings mit Kosten verbunden ist, wird die Liga der Willigen schnell schrumpfen. Es bleibt die Erkenntnis: Nicht alles, was möglich ist, wird auch wahr.

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