Erbitterter Streit mit Neunkircher Sparkasse

Neunkirchen · Ein Kunde der Neunkircher Sparkasse hat seinen Kreditvertrag wegen aus seiner Sicht fehlerhafter Widerrufsbelehrungen gekündigt. Ein harter Rechtsstreit folgte. Es kam sogar Post vom Gerichtsvollzieher.

Tarik H. (Name geändert) staunte nicht schlecht, als er Mitte Mai Post vom Gerichtsvollzieher bekam. Denn damit hatte seine Bank die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung geschaffen, bestätigt Gerichtsvollzieher Udo Neustedt. Sie hatte ihm eine sogenannte "vollstreckbare Grundschuldurkunde" zukommen lassen. "Für mich stand damit die Drohung im Raum, dass mein Haus versteigert werden soll", sagt H.

Der Brief des Gerichtsvollziehers war der Höhepunkt einer Auseinandersetzung, die sich über ein Jahr hinzieht. Wegen seiner Ansicht nach fehlerhafter Widerrufsbelehrungen in seinen Kreditverträgen hat H. diese bei der Sparkasse Neunkirchen widerrufen. "Normalerweise einigt man sich dann mit der Sparkasse auf einen Kompromiss", sagt H's Anwalt Dirk Heeling. In diesem wie auch in einem zweiten Fall von H's Arbeitskollegen sei es zu einem Rechtsstreit mit der Sparkasse Neunkirchen gekommen.

Die Frage fehlerhafter Widerrufsbelehrungen beschäftigt zahlreiche Gerichte in Deutschland. Denn die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung sind hoch. Sie muss nicht nur genau über die Widerrufsmöglichkeiten informieren, sondern auch über die Frist, in der ein Widerruf abgegeben werden kann. Und - hier sind viele Widerrufsbelehrungen wenig eindeutig - es muss der genaue Moment identifiziert sein, zu dem die Frist zu laufen beginnt. Banken, die die vorgegebenen Musterbelehrungen nicht Wort für Wort übernommen, sondern ihren Anforderungen angepasst haben, finden sich oft vor Gericht wieder. Denn häufig haben die Bearbeitungen zu Unklarheiten geführt und so die Belehrung anfechtbar gemacht.

Das Problem: Ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, hat die Frist nie zu laufen begonnen. Der Vertrag kann auch nach Jahren noch widerrufen werden. Darauf setzte auch H. und widerrief Anfang 2014 seine Kreditverträge , die er 2008 abgeschlossen hatte. Er war der Meinung, dass seine Widerrufsbelehrung Fehler hatte. Eine Ansicht, die auch das Landgericht Saarbrücken mit Urteil vom 20. Februar 2015 teilte.

Was dem Urteil folgte, erstaunte H. ebenso wie seinen Anwalt Heeling. Die Sparkasse nahm die Ratenzahlungen auf den Kredit nicht mehr entgegen, überwies die per Lastschrift eingezogenen Zahlungen zurück und kündigte die Zustellung der Grundschuldurkunde an. H., der angesichts der Tatsache, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig war, nicht in Zahlungsverzug kommen wollte, überwies erneut, bekam das Geld aber wieder zurück - ein Vorgang, der sich mehrfach wiederholte. Stattdessen kamen Mahnungen der Sparkasse Neunkirchen , es sei auf dem Darlehenskonto zu Rückständen gekommen. Gleichzeitig kam der Brief vom Gerichtsvollzieher.

Sparkassen-Vorstand Frank Rubeck bezeichnet die Entwicklung als ein großes Missverständnis, das auf Kommunikationsproblemen beruhe. Grundsätzlich habe die Sparkasse Neunkirchen das Thema Widerrufsbelehrung stets mit den Kunden einvernehmlich lösen können. Nur in zwei Fällen, zu denen sich das Institut aber wegen des Bankgeheimnisses nicht konkret äußern will, sei eine außergerichtliche Einigung nicht möglich gewesen. Weil es unterschiedliche Urteile gebe, halte die Sparkasse ihre Chancen in einem Berufungsverfahren auch für gut.

Dass die Sparkasse Kreditzahlungen aus rechtlichen Gründen nicht mehr entgegennehmen darf, könne durchaus vorkommen, sagt Sparkassen-Rechtsanwalt Georg Rohleder. "Es kann sein, dass ein Kunde oder sein Anwalt erklärt, es werde nicht mehr auf das Darlehen gezahlt, und auch auf Nachfrage nicht mehr erklärt, worauf die Zahlung angerechnet werden soll." Ohne solch eine Tilgungsbestimmung könne die Zahlung aber nicht gebucht werden. "In solch einem Fall kann die Sparkasse die Tilgungsbestimmung nur dadurch herstellen, dass sie die Grundschuld zustellt", so der Anwalt.

H's Anwalt Heeling sagt jedoch, es habe eine solche Erklärung nie gegeben. Tatsächlich bezieht sich die Sparkasse in ihrem Schreiben vom Mai 2015, in dem sie ankündigt, künftig keine Zahlungen mehr anzunehmen, auch nicht auf solch eine Erklärung, sondern auf einen Brief aus dem April 2014. In diesem hatte wiederum der Anwalt angekündigte, sein Kunde werde die Zahlungen zwar weiter vornehmen, aber nur unter Vorbehalt "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht". Eine übliche Vorgehensweise, wie auch Rohleder bestätigt. "Also stellt sich doch die Frage, warum die Zahlungen ein Jahr entgegengenommen wurden und dann plötzlich nicht mehr", sagt Heeling.

Mittlerweile nimmt die Sparkasse die Zahlungen wieder an. Der Kunde habe erklärt, was mit den Zahlungen getilgt werden soll, sagt Sparkassen-Anwalt Rohleder. Die vollstreckbare Grundschuld liegt zwar weiter beim Kunden, aber man sehe keinen Grund für eine Zwangsversteigerung, betont die Sparkasse. "Die wird es nicht geben", sagt Rubeck. Über die Richtigkeit der Widerrufsbelehrung muss nun das Oberlandesgericht entscheiden. Ein Prozesstermin steht noch nicht fest.

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HintergrundIm Streit um die Rechtmäßigkeit von Widerrufsbelehrungen entscheiden die Oberlandesgerichte unterschiedlich. So haben sich beispielsweise die Oberlandesgerichte in Schleswig-Holstein, Frankfurt und Düsseldorf auf die Seite der Banken geschlagen. In Dresden, Brandenburg oder München entschieden die Richter für die Kunden. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) steht noch aus. Bereits bei den Bearbeitungsgebühren für Kreditverträge erlitten die Institute vor dem BGH 2014 eine Niederlage. Sie müssen den Kunden erstattet werden.Die Verbraucherzentrale warnt vor leichtfertigem Widerruf gegen Kreditverträge . Kunden sollten unbedingt einen Anwalt zurate ziehen. Und sie sollten sich bewusst sein, dass sie wegen des unsicheren Ausgangs ein hohes finanzielles Risiko eingehen. jwo

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