Siemens gibt Hausgeräte-Sparte ab

München/Stuttgart · Erst Handys, Computer und Glühbirnen, jetzt Geschirrspüler und Kühlschränke: Siemens gibt mit dem Abschied vom Hausgeräteriesen BSH das letzte Endkunden-Geschäft auf.

Es ist das Ende einer Ära für Siemens: Mit dem Ausstieg beim Hausgeräteriesen BSH kehrt der Elektrokonzern dem Verbraucher endgültig den Rücken. Weltweit buhlt Siemens mit Konkurrenten um Millionen-Aufträge im Energie-, Industrie- und Infrastrukturgeschäft - da passen Geschirrspüler , Gefriertruhen und Waschmaschinen nicht mehr recht ins Bild. Der Rückzug bei BSH, der den Münchnern mehr als drei Milliarden Euro in die Kassen spült, galt deshalb zuletzt nur noch als eine Frage der Zeit.

Dabei wird die jahrzehntelange Kooperation mit dem Partner Bosch in München durchaus als Erfolgsgeschichte gesehen: Siemens wird daran keinen Anteil mehr haben, auch wenn die Marke dank einer Vereinbarung mit Bosch erhalten bleibt. Einst war Siemens in zahllosen Privathaushalten präsent - von den Osram-Glühbirnen, über Handys und Schnurlostelefone bis hin zu Computern und eben Hausgeräten. Damit ist es vorbei. Jetzt konzentrieren die Münchner sich auf das Geschäft mit Kraftwerks- und Antriebstechnik, Zügen, Windrädern und Medizintechnik.

In diesem Bereich will Konzernchef Joe Kaeser das Unternehmen nun verstärken. In den USA will Siemens für umgerechnet knapp sechs Milliarden Euro Dresser-Rand übernehmen. Das US-Unternehmen stellt Kompressoren, Dampf- und Gasturbinen sowie Motoren her. Dies ergänze das bestehende Siemens-Portfolio, insbesondere für die weltweite Öl- und Gasindustrie sowie für die dezentrale Energieerzeugung, sagte Kaeser. Dresser-Rand, das zuletzt etwa 8100 Mitarbeiter beschäftigte, habe schon seit Monaten ganz oben auf der Wunschliste gestanden.

Kaeser wittert gerade durch den Schiefergas-Boom in den USA große Geschäfte. Dresser-Rand sieht er dort als "Wachstumsgenerator" - zusammen mit dem bisherigen Siemens-Geschäft für Öl und Gas geht er von jährlich sechs bis acht Prozent Steigerung aus. Außerdem soll der Zukauf vom ersten Jahr an für zusätzlichen Gewinn sorgen.

Über den Kauf sei man sich mit dem Ausrüster aus Texas bereits einig geworden, teilte der Dax-Konzern mit. Damit hat sich der Siemens-Chef gegen seinen Vorgänger Peter Löscher durchgesetzt, der als Verwaltungsratspräsident des Schweizer Sulzer-Konzerns ebenfalls Interesse an einer Übernahme der Amerikaner hatte.

Auf der anderen Seite des Deals versucht Bosch, mit der Komplettübernahme von BSH noch weiter weg vom konjunkturanfälligen Kfz-Geschäft zu kommen. Der Anteil des Zulieferergeschäfts am Gesamtumsatz soll langfristig auf die Hälfte sinken. Mit BSH kommt Bosch dem Ziel ein wenig näher.

Der Hausgerätehersteller passe "sowohl von seiner strategischen Ausrichtung als auch technologisch sehr gut zur Bosch-Gruppe", betonte Bosch-Chef Volkmar Denner. Der Stuttgarter Technologiekonzern beschwört seit einiger Zeit das sogenannte "Internet der Dinge" als neues Spielfeld. Darunter versteht man Hausgeräte wie Waschmaschinen oder Kühlschränke , die technisch in der Lage sind, mit dem Internet zu kommunizieren. Die Verbraucher können solche Geräte mit Smartphone oder Tablet steuern.

Bosch bastelt in seinem Kerngeschäft an Autos, die selbstständig fahren oder mit anderen Fahrzeugen kommunizieren können. Inzwischen stattet das Unternehmen auch Hausgeräte mit Sensoren und Elektronik aus. Sensoren aus der Fahrzeugtechnik messen beispielsweise den Feuchtigkeitsgrad von Backwaren und passen die Backdauer automatisch an. Gleichzeitig feilt der Konzern an intelligenter Haustechnik wie Heizungsreglern. Angesichts der niedrigen einstelligen Wachstumsraten im Hausgerätemarkt sieht Bosch vor allem in diesem Feld Potenzial.

Meinung:

Das Problem der Größe

Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläger

Was treibt einen Konzern dazu, sich von einer langjährig profitablen Sparte zu trennen? Diese Frage dürfte sich angesichts des Verkaufs der Bosch-Siemens-Hausgeräte manch ein Beobachter stellen. Und doch ist der Schritt logisch. Siemens kämpft seit Jahren mit seiner Größe. Zu unübersichtlich ist die Struktur des Konzerns, zu unterschiedlich sind die Produkte. Mehrere Konzernchefs haben immer neue Strategien ersonnen, um Siemens auf Kurs zu bringen. Kaeser versucht es nun mit der Fokussierung auf den Industrie-Bereich. Ob der Schritt gelingt, wird erst die Zukunft zeigen. Eines ist sicher: Er ersetzt die Hausgeräte durch ein hochinteressantes Unternehmen in einem Wachstumsfeld. Kaeser bringt den Münchner Konzern damit auf dem Weg zur Zukunftsfähigkeit einen entscheidenden Schritt weiter.

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