Wenn ein Beinbruch kein Beinbruch mehr ist

Losheim · Im Saarland gibt es etliche Unternehmen, die wenig bekannt sind, aber zu den Marktführern in ihrer Branche zählen. Solche stillen Stars stellt die SZ in einer Serie vor. Heute: Die Hufbeschlagschmiede Michael Puhl.

 Michael Puhl mit seinem Pferd Amigo, das sich trotz des Gurtes frei bewegen kann. Foto: Ruppenthal

Michael Puhl mit seinem Pferd Amigo, das sich trotz des Gurtes frei bewegen kann. Foto: Ruppenthal

Foto: Ruppenthal

Wenn Pferde sich die Beine brechen, ist das nicht selten gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Neben der schwierigen Operation ist es vor allem die Folgezeit, die den Tieren zu schaffen macht. Wie nämlich soll man ein rund 700 Kilo schweres Tier so ruhigstellen, dass das Bein entlastet wird? Eine Frage, mit der sich Michael Puhl aus Losheim lange Zeit beschäftigt hat. Der 58-Jährige ist Hufschmied - und zwar für schwierige Fälle. Wenn Pferde auffällig laufen oder Fehlstellungen haben, dann ist der Fachmann aus Losheim gefragt. Denn Puhl hat sich schon vor Jahren auf orthopädische Probleme bei Pferden spezialisiert. Seine patentierten "Hufeisen-Einlagen" oder Hufklammern für Pferde werden längst von Kollegen weltweit eingesetzt.

Puhls Herz allerdings hängt an einem besonderen Produkt, für das er vor vier Jahren vom Deutschen Handwerk ausgezeichnet wurde: dem Schwing lifter für Pferde . "Die Idee ist ganz einfach", sagt Puhl. "Wenn ein Pferd seinen Fuß entlasten soll, müssen wir einfach das Körpergewicht reduzieren." Die Lösung ist ebenso simpel wie die Idee: Das Pferd wird über ein Gurtsystem an einer Deckenkonstruktion aufgehängt. "Im Prinzip hat man Pferde schon vor 500 Jahren in dieser Weise aufgehängt." Neu ist allerdings, dass der Zug der Feder variabel eingestellt werden kann - um bis zu 260 kg kann das Pferd so entlastet werden. Und neu ist auch, dass das Pferd über eine bewegliche Deckenkonstruktion frei in der Box herumlaufen kann. "Das ist ganz entscheidend, denn wenn ein Pferd dauerhaft steht, bekommt es leicht eine Kolik - und kann dann daran sterben", sagt Puhl.

Vor gut fünf Jahren hat Puhl den Schwinglifter auf den Markt gebracht, 30 der rund 16 000 Euro teuren Konstruktionen hat er bereits an Kliniken verkauft - zwei sogar nach Amerika. Er setzt aber gar nicht so sehr auf den Verkauf, sondern auf die Vermietung. Drei Geräte hat er gewöhnlich in Losheim vorrätig: "Die kann ich in einem Notfall innerhalb weniger Stunden vor Ort bringen und installieren."

Als einen "Quantensprung" bei der Behandlung von Verletzungen bei Pferden bezeichnet Karsten Weitkamp, Tierarzt an der Tierklinik Telgte den Schwinglifter. Die Klinik hat bereits seit 2009 einen Lifter im Einsatz und behandelt damit auch wertvolle Sportpferde. Laut Weitkamp ist es möglich, mit Hilfe des Lifters "vollständige Heilungen zu erzielen, wo vorher ein erhebliches Risiko bestand, das Pferd zu verlieren." Gerade bei Frakturen, die nicht durch Operationen stabilisiert werden können, erhöhe Puhls Erfindung die Heilungschancen. Und man könne das System nicht nur bei Brüchen einsetzen, sondern auch bei der häufig auftretenden Hufrehe. Auch Petra Ohnemus, Ärztin an der Rennbahnklinik in Iffezheim ist begeistert. "Eigentlich gehört so ein Lift in jede Pferdeklinik", sagt sie.

Puhl, der in seinem Sechs-Mitarbeiter-Betrieb noch rund 60 Prozent des Umsatzes mit der klassischen Hufschmiede erzielt, sieht gerade bei den Hilfsmitteln noch erhebliches Wachstumspotenzial. Sei es bei dem Lifter, von dem er bis zu zwei pro Monat herstellen kann, sei es auch bei den orthopädischen Einlagen. Oder seinen neuen Ideen: Gerade hat er eine Spezialmatte entwickelt, mit der Feuerwehren beispielsweise hilflose Kühe oder Pferde aus Schlammgruben, Swimming-Pools oder Bächen befreien können. Neu ist auch eine Träger-Konstruktion, in die Pferde nach einem Bruch eingehängt und stabilisiert werden können, so dass der Bruch beim Transport in die Klinik nicht belastet wird. Pferde-Spezialist Weitkamp sieht auch für diese Spielart des Springlifters gute Erfolgschancen: "Es gibt durchaus Situationen beim Transport , wo solch eine Einrichtung sehr sinnvoll wäre."

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