Im Garten und im Saarland Fuß gefasst

Homburg · Mahboob Mirzaie arbeitet gern mit Pflanzen. Daraus macht er jetzt seinen Beruf. Ermöglicht wurde dem Flüchtlingsjungen, der weder lesen noch schreiben konnte, der Zugang zur Ausbildung durch Betreuer des Jugenddorfs in Homburg.

 Hecken zu schneiden gehört zu den Aufgaben von Werker-Azubi Mahboob Mirzaie. Foto: Iris Maurer

Hecken zu schneiden gehört zu den Aufgaben von Werker-Azubi Mahboob Mirzaie. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Im Winter arbeitet Mahboob Mirzaie nicht selten bei Minusgraden. "Ist kein Problem, das kenne ich von meiner Heimat", sagt der Azubi im Garten- und Landschaftsbau. Auf dem großräumigen Gelände des Jugenddorfs CJD in Homburg schneidet der afghanische Lehrling Hecken, er gießt die Pflanzen, setzt Bäume ein, und am liebsten "mähe ich den Rasen", sagt Mirzaie.

Als der afghanische Junge nach einem Berufsvorbereitungsjahr hier seine Ausbildung begann, war er ein Exot. Traditionell bietet das Jugenddorf Jugendlichen mit Behinderungen die Möglichkeit, einen Beruf zu lernen. Behindert ist Mirzaie nicht. Anfangs sollte ihm das CJD keine Ausbildung, sondern vor allem ein Dach über den Kopf bieten.

"Wir verfügen hier über ein Internat und verschiedene Wohngruppen, und so kamen die ersten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zu uns", erzählt CJD-Teamleiter Michael Düpre. Mirzaie war wissbegierig, er interessierte sich für Pflanzen und lernte eifrig Deutsch. Und so überlegten die Betreuer beim CJD, wie sie seine Entwicklung fördern könnten. Einen ähnlichen Fall wie den von Mirzaie hatte es vorher nie gegeben. Wie bei jeder Premiere ging nicht alles glatt, es gab zum Beispiel bürokratische Hürden. "Doch es hat sich gelohnt, für eine besondere Situation nach einer flexiblen und individuellen Lösung zu ringen", sagt Düpre. Der weitere Verlauf sollte ihm recht geben. Die Zwischenprüfung bestand Mirzaie mit einer 1 vor dem Komma - und es gab Nachahmer. "Zurzeit betreuen wir im CJD Homburg 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge , fünf davon machen eine Ausbildung. Mahboob war der erste", sagt Düpre.

Mittlerweile wohnt Mirzaie nicht mehr in einer WG auf dem CJD-Gelände, sondern in einer Wohnung in Homburg . "Am Wochenende fahre ich gerne nach Saarbrücken ins Kino", erzählt er. Er hat sich im Saarland gut eingelebt, obwohl Deutschland nicht von Anfang an Ziel seiner Flucht gewesen war: "Ich wollte nach Norwegen, doch in Saarbrücken holte mich die Polizei aus dem Zug."

Wer zum Werker im Garten- und Landschaftsbau ausgebildet wird, soll später als Helfer im gärtnerischen Bereich arbeiten. Eigentlich richtet sich diese Lehre, die nur über mündliche Prüfungen bewertet wird, an Jugendlichen, die eine Behinderung haben. Mirzaie hat weder körperliche noch geistige Einschränkung, aber die Ausbildung ohne schriftliche Tests kommt ihm entgegen: Lesen und Schreiben hat er nie gelernt - weder auf Deutsch noch in seiner Muttersprache Dari. Als Kind verließ er nach dem Tod seiner Eltern Mazar-i-Sharif Richtung Iran. Dort lebte er bei seinem Großvater und anschließend in einer Pflegefamilie. Doch wenn afghanische Kinder im Iran geduldet werden, sind sie dort illegal und dürfen daher nicht zur Schule. Als Mirzaie älter und seine Lage als Illegaler im Iran zu gefährlich wurde, finanzierte ihm sein Pflegevater die Flucht nach Europa.

Neben der fachlichen Ausbildung bekommt er weiter Sprachkurse und lernt Lesen und Schreiben. Für die Herbstferien hat der Junge bereits einen Praktikumsplatz in einem Betrieb. Wenn es gut läuft, darf er in den Osterferien wieder dort arbeiten. "Wer weiß, vielleicht bekommt er dort sogar eine Anstellung, wenn er mit der Ausbildung durch ist", zeigt sich Düpre zuversichtlich. Dann hätte er auch die Möglichkeit, die darauf aufbauende Ausbildung zum Gärtner zu absolvieren. Doch so langfristig plant Mirzaie nicht. "Ich freue mich einfach, weil mir meine Arbeit hier und jetzt gefällt", sagt der Afghane.

An seinem 18. Geburtstag wird sich aber die Frage stellen, ob er in Deutschland bleiben darf oder nicht. Wenn alles gut geht, wird er bis dahin mit der Lehre fertig sein. Neben seinen guten Deutschkenntnissen und seiner gelungenen Integration in Homburg wäre ein Arbeitsvertrag bestimmt ein wichtiges Argument dafür.

Meinung:
Neue Wege zu gehen, lohnt sich

Von SZ-RedaktionsmitgliedHélène Maillasson

Für den Jungen aus Afghanistan, der weder lesen noch schreiben konnte, waren die Perspektiven eher schlecht. Doch die Betreuer im CJD fanden sich nicht mit der schwierigen Situation ab. Mit Flexibilität und Kreativität suchten und fanden sie eine Lösung, die kaum besser sein könnte: Denn sie kommt sowohl dem jungen Afghanen als auch der Wirtschaft zugute. Natürlich lässt sich dieses Modell nicht eins zu eins auf jeden Flüchtling übertragen. Doch das Beispiel aus Homburg zeigt, dass es sich lohnt, neue Wege zu wagen und nach individuellen Lösungen zu suchen. Eins ist sicher, wir brauchen mehr solcher Initiativen.

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