Bei der Bahn drohen neue Streiks

Frankfurt · Schlechte Nachrichten für Bahnreisende. Die Lokführer rüsten in dem Konflikt zur fünften Streikrunde. Die Bahn wolle gar kein Verhandlungsergebnis, lautet ihr Vorwurf.

Bei der Bahn stehen die Signale wieder auf Streik. "Ich gehe davon aus, dass wir sehr zeitnah in die Arbeitskämpfe eintreten werden", kündigte Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL gestern an und erklärte die Tarifverhandlungen für gescheitert. Einen Termin oder eine voraussichtliche Dauer für die dann fünfte Streikrunde nannte er nicht. Man werde die Öffentlichkeit darüber rechtzeitig informieren.

Die GDL hat in dem Konflikt um die Arbeitsbedingungen des Zugpersonals im vergangenen Jahr bereits viermal ihre Mitglieder zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen und den Bahnverkehr in Deutschland in großen Teilen lahmgelegt.

Das von der Bahn vorgelegte Angebot sei eine "Provokation", schimpfte Weselsky. Die Bahn spiele in unverantwortlicher Weise auf Zeit. "Was heute auf dem Tisch ist, ist nichts wert, weil alles wieder zurückgenommen werden kann", sagte der GDL-Chef nach der 16. Verhandlungsrunde. Die Bahn habe "Champagner für den Vorstand und trocken Brot für das Zugpersonal" angeboten. Weselsky sprach von einer Provokation, weil die Bahn zuvor von einer Annäherung gesprochen hatte.

Eine Bahnsprecherin sagte dazu: "Das ist für uns völlig unverständlich. Der Abbruch entspricht in keiner Weise dem Verhandlungsstand. Wir haben ein sehr konkretes und seriöses Angebotspaket vorgelegt." Tatsächlich hatte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber zuvor von guten Fortschritten bei den Verhandlungen berichtet. Man sei sich in vielen Punkten nähergekommen und beide Seiten hätten Zugeständnisse gemacht, sagte er. Die Bahn habe ein entsprechendes Angebot vorgelegt, das nun von der GDL geprüft werde: "Ich sehe im Moment überhaupt keinen Anlass für Streiks." Die für den 27. April geplante Verhandlungsrunde in Frankfurt ist nach der GDL-Erklärung hinfällig.

Die GDL strebt für ihre sämtlichen Mitglieder im Zugpersonal eigene Tarifverträge an. Bislang hatte die Spartengewerkschaft nur für Lokführer Abschlüsse vereinbart. Die GDL verlangt fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche. Die Verhandlung gestern sei am Knackpunkt der Rangier-Lokführer gescheitert, die von der Bahn niedriger eingestuft werden sollten als ihre Kollegen auf der Strecke. Ein zweites Berufsbild als "billiger Jakob" sei mit der GDL nicht zu machen, sagte Weselsky.

Meinung:
Es reicht, Herr Weselsky

Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdorf

Nach einigen Monaten Ruhe wuchs die Hoffnung, dass sich der Tarifstreit bei der Bahn endlich lösen ließe. Nun stehen die Signale zum fünften Mal auf Streik. GDL-Chef Claus Weselsky hat wieder einmal die Verhandlungen platzen lassen. Mehr und mehr verfestigt sich der Eindruck, dass der Mann zu Kompromissen nicht fähig ist. Dass mit ihm ein Tarifabschluss gelingen könnte, ist nicht absehbar. Die von der Streiklust der Spartengewerkschaft genervten Bahnreisenden werden noch länger leiden müssen. Inzwischen muss man aber die Frage stellen, ob das Streikrecht in so wichtigen Verkehrsunternehmen nicht doch eingeschränkt werden muss. Es sollte einen Zwang zur Schlichtung, eine Pflicht zu einem Mindestbetrieb und längere Fristen zur Streikankündigung geben.

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