Energie-Riese RWE spaltet sich auf

Essen · Der angeschlagene RWE-Konzern steht mit der Aufteilung in zwei Bereiche vor dem größten Umbau seiner Geschichte. Mit der grundlegenden Neuausrichtung will RWE auch finanziell wieder in die Spur kommen.

Unter dem Druck der Energiewende macht RWE einen radikalen Schnitt. Ein Jahr nach dem Rivalen Eon gibt nun auch der zweitgrößte deutsche Energiekonzern sein jahrzehntealtes Geschäftsmodell auf. Künftig trennen die Essener das Zukunftsgeschäft von der klassischen Stromerzeugung aus großen Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken. Vorstandschef Peter Terium spricht von einem logischen und großen strategischen Schritt.

Über einen Börsengang der Zukunftsgeschäfte rund um Ökostrom, Netze und Energievertrieb soll die "grüne" Sparte neue finanzielle Spielräume für das erhoffte Wachstum erhalten. RWE will bis zu 39 Prozent der neuen Tochterfirma, die mit einem Umsatz von 40 Milliarden Euro und 40 000 Beschäftigten den größten Teil des Unternehmens umfassen wird, an die Börse bringen und langfristig Mehrheitseigentümer bleiben.

"Wir öffnen eine neue Tür zum Kapitalmarkt", sagte Terium. Bislang waren ihm die Hände gebunden. Denn ausländische Investoren waren zuletzt kaum noch gewillt, dem Versorger Geld zu leihen - wegen der Unsicherheiten der Energiepolitik. Auch eine Kapitalerhöhung des Hauptkonzerns wäre kaum machbar gewesen. Denn dabei hätten die mächtigen kommunalen Aktionäre vor allem aus Nordrhein-Westfalen angesichts leerer öffentlicher Kassen kaum mitziehen können. Sie halten derzeit fast ein Viertel der Anteile an RWE, dieser Anteil wäre aufgeweicht worden.

"Wir zerschlagen den gordischen Knoten", bejubelte Terium seinen Umbauplan. Lange hatte RWE abgewartet. RWE versuchte, als Ganzes durch die Energiewende zu kommen - nach der Maxime: ein Angebot aus einer Hand von der Erzeugung, über die Verteilnetze und den Handel bis zum Vertrieb. Doch dieses Geschäftsmodell, das über Jahrzehnte Milliardengewinne abwarf, funktioniert immer weniger.

Vor allem lohnt sich der Betrieb der Großkraftwerke kaum mehr. Sie sind zu einem regelrechten Klotz am Bein geworden. Das liegt auch daran, dass der Konzern immer noch auf 26 Milliarden Euro Schulden sitzt. Damit fehlte bislang das Geld, um in die neue Energiewelt zu investieren.

Nun soll alles besser werden. Terium preist ausgiebig die Vorteile der neuen Tochter. Dazu gehöre eben auch, dass "grüne" und innovative Versorger bei Anlegern derzeit viel höher im Kurs stünden. Davon will RWE nun profitieren. Und der Konzern sieht für die neue Tochter einen großen Vorteil gegenüber Eon. Sie wird frei sein von den kaum zu kalkulierenden Atom-Altlasten.

Eon hatte sein Atomgeschäft ursprünglich mitsamt den übrigen konventionellen Kraftwerken in die neue Gesellschaft Uniper ausgliedern wollen. Doch die Politik schob einen Riegel vor. Sie fürchtete, Eon wollte sich aus der Verantwortung für die Kosten des Atom ausstiegs stehlen. Nun soll die Atomenergie bei Eon zusammen mit dem Zukunftsgeschäft im Hauptkonzern bleiben. Diese Diskussion um die Altlasten will sich RWE ersparen. "Wir stehen zu unserer Verantwortung für das Auslaufen der Kernkraft", sagte Terium.Vorweg gehen - mit diesem Slogan wirbt RWE seit geraumer Zeit. Jetzt macht der Konzern wirklich einen großen Schritt in neue Zeiten. Foto: Kusch/dpa

Peter Terium

Meinung:

Erster Befreiungsschlag

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

RWE-Chef Peter Terium gelingt ein - vor allem finanzieller - Befreiungsschlag. Der Konzern wirkte seit Jahren wie gelähmt. Die Gewinne aus dem Geschäft mit Großkraftwerken sind weggebrochen, die Schulden türmen sich, und für Investitionen in die zukunftsträchtigen erneuerbaren Energien fehlte das Geld. Aus dieser verzwickten Lage hat Terium einen Ausweg gefunden. Die "grüne" Sparte kann endlich kräftig wachsen, und Schulden lassen sich auch noch tilgen. Doch zu Euphorie besteht kein Grund. Mit Kohlekraftwerken wird immer weniger Geld zu verdienen sein. Die Signale in der Politik stehen auf Kohleausstieg. Und Atomkraftwerke sind inzwischen ein gigantischer unkalkulierbarer Kostenblock. Teriums Befreiungsschlag reicht nicht, um die Zukunft von RWE zu sichern.

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