Juncker greift deutsche Sparer an

Brüssel · EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drängt auf eine gemeinsame europäische Einlagensicherung – auf Kosten deutscher Sparer, wie man hierzulande befürchtet.

Jean-Claude Juncker hatte so lange über Flüchtlinge geredet, dass er seine Rede vor den Europa-Abgeordneten am Mittwoch dramatisch kürzen musste. Doch einen Punkt hielt er für so wichtig, dass er ihn doch noch aufgriff: "Ein gemeinschaftliches Einlagensicherungssystem ist dringend notwendig."

Neben jenen 211 Milliarden Euro, für die der deutsche Steuerzahler bisher schon zur Sanierung maroder Euro-Länder geradestehen muss, befürchten Banker und Experten nun den nächsten Angriff auf das Geld. Dieses Mal wären die Sparer betroffen, die für unsolide finanzierte Geldhäuser vor allem im Süden der Union eintreten sollen. Derzeit ist die Einlagensicherung auf nationaler Ebene organisiert, wenn auch nach gemeinschaftlichen Regeln, die gerade erst in Kraft getreten sind. Das aber reicht der Führungsspitze in Brüssel nicht.

Schon im Juni hatten die fünf Präsidenten Juncker (EU-Kommission), Donald Tusk (Rat), Martin Schulz (Parlament), Mario Draghi (Europäische Zentralbank ) und Jeroen Dijsselbloem (Eurogruppe) einen Vorstoß gewagt, waren aber in Berlin auf Widerstand gestoßen: "Eine über die bisherige Harmonisierung hinausgehende gemeinsame Einlagensicherung lehnen wir ab", teilte das Bundesfinanzministerium gestern erneut mit.

Dabei wissen die Urheber der Idee in Brüssel , dass die Sicherungssysteme der Mitgliedstaaten höchst unterschiedlich ausgeprägt sind, weil einige Länder wie Deutschland eine solide ausgestaltete Einlagensicherung haben, andere noch nicht. Deshalb denkt Juncker auch eher an eine Rückversicherung für die nationalen Systeme, keine wirkliche Vollvergemeinschaftung.

Kritiker wie der CSU-Europa-Abgeordnete und Finanzmarktexperte Markus Ferber warnen trotzdem: "Eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung wäre brandgefährlich. Es darf nicht sein, dass deutsche Sparer für Verluste der Banken in anderen EU-Ländern haften müssen." Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon sprach sich ebenfalls dagegen aus, dass "Gelder, die wir für die Sparkassenkunden in Deutschland beiseitelegen, für Krisenbanken in anderen Staaten eingesetzt werden." Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, sagte: "Die Bankenunion darf keine Transferunion sein."

Aber die Versuchung, die Probleme griechischer, italienischer oder spanischer Banken durch einen Rückgriff auf die gut gefüllte deutsche Einlagensicherung zu lösen, ist groß. Schließlich sind die hiesigen Konten von privaten Kunden und Unternehmen mit 3,4 Billionen Euro gut gefüllt. Seit dem Zusammenbruch der Herstatt-Bank 1976 hat in der Bundesrepublik kein Kunde mehr Geld verloren, weil sein Institut pleite ging.

Meinung:

Anschlag aufs Sparbuch

Von SZ-Korrespondent Detlef Drewes

Brüssel fordert nicht weniger als die Öffnung der Rücklagen deutscher Sparer für ausländische Institute, zur Sanierung unsolide geführter Häuser. Das ist keine Stammtisch-Polemik, sondern eine reale Gefahr. Eine gemeinsame Haftung kann grundsätzlich in einer Währungsunion angebracht sein, aber nicht vor, sondern erst nach Schaffung einer Bankenunion mit diversen Eingriffsbefugnissen. Denn diese müssen zunächst sicherstellen, dass der Versicherungsfall eigentlich nicht eintreten kann. Bis dahin entlarvt sich der Vorstoß als unseriöser Versuch, zusätzliches Kapital zur Bankensanierung aus den Töpfen zu nehmen, die andere gefüllt haben.

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