Wenn Privatleute Hotelier werden

Teilen hat Konjunktur – vor allem, wenn man damit etwas verdienen kann. Längst geht es bei der sogenannten Sharing Economy um mehr als Leih-Bohrmaschinen oder Mitfahrgelegenheiten. Auf dem Deutschen Verbrauchertag gestern in Berlin war Sharing Economy ein großes Thema. Worum es geht, erläutert dpa-Mitarbeiter Burkhard Fraune in Frage-Antwort-Form.

Was ist die Sharing Economy?

Man muss nicht alles besitzen, um es zu nutzen. Beispiel: die Mietwohnung. Länger als das Internet gibt es lokale Tauschringe mit Angeboten aus der Nachbarschaft, zum Beispiel "Suche Nähmaschine, biete Fensterputzen". Webseiten und Apps machen das Teilen nun viel leichter. Ein Büro für paar Tage, ein Privatzimmer für den Wochenendtrip - alles kann man sich über das Netz kurzfristig und für kurze Zeit sichern.

Welche Plattformen gibt es dafür?

Beinahe täglich geht irgendwo eine Website an den Start, die Angebot und Nachfrage zusammenbringt zu allen möglichen Alltagsproblemen. Wer dieser Tage merkt, dass er seinen Sommerurlaub nicht antreten kann, kann die Reise über Online-Vermittler weiterverkaufen. Wer sich etwas dazu verdienen will, nimmt auf den Weg zur Arbeit für andere Pakete mit. Mittlerweile schmücken sich auch Vermittler von Putzdiensten und anderen Dienstleistungen mit dem Sharing-Etikett.

Was hat das noch mit Teilen zu tun?

Dieses "Teilen" (englisch "to share") hat weniger mit Gutherzigkeit zu tun als mit Verdienstmöglichkeiten - für die Eigentümer wie für die Vermittler. Beim Soziologen Harald Welzer schrillen da die Alarmsirenen, wie er sagt. Denn wer merkt, dass er sein Bügeleisen über das Netz für Geld verleihen kann, gebe es bald nicht mehr als Nachbarschaftshilfe umsonst her. Welzer warnt: "Bald verlangt ihre Nachbarin 2,50 Euro dafür, dass sie ihr Paket angenommen hat." Er befürchtet eine Entwicklung hin zu einer eiskalten Gesellschaft. Dagegen preist Francesca Pick, die die Sharing-Szene auf der Site Ouishare zusammenbringt, neue Einkommensmöglichkeiten für viele Menschen. "Es ist ein höherer Lebensstandard möglich."

Ist das alles erlaubt?

Manches nicht. Vieles aber bewegt sich in einem Graubereich, weil es das Internet noch nicht gab, als die Vorschriften geschrieben wurden. Der Fahrdienstvermittler Uber etwa ist ein Dauerbrenner bei deutschen Gerichten, weil er auch Privatleute zu Chauffeuren macht. Die Taxi-Branche tobt, weil diese Fahrer die rechtlichen Vorgaben für Taxis nicht beachten. Inzwischen wurde der betreffende Uber-Dienst in Deutschland für rechtswidrig erklärt. Abwehrkämpfe erleben auch andere Branchen. Seit im Netz Hunderttausende Privatzimmer in aller Welt günstig zu haben sind, schimpfen Hoteliers . Sie haben meist deutlich höhere Kosten für Brandschutz, Hygiene und Barrierefreiheit und müssen Arbeitnehmerrechte beachten.

Was sagen Gewerkschaften und Politik?

"Teilen ja, Ausbeuten nein", heißt es beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Arbeitsschutz- und Arbeitszeitregeln müssten auch die neuen digitalen Anbieter einhalten. Das gelte etwa für Menschen, die sich im Netz als Putzkraft vermitteln lassen - manchmal an der Grenze zur Scheinselbstständigkeit. "Rechtsbruch ist keine innovative Geschäftsidee", kritisierte unlängst Justizminister Heiko Maas (SPD ).

Müssen sich auch die etablierten Branchen ändern?

Das sagen nicht nur die neuen Anbieter, sondern zum Teil auch Ökonomen. "Nicht das Kind mit dem Bade ausschütten", warnt etwa der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap. Regulierungswut könne den Aufbruchsgeist vernichten. Durch die Digitalisierung ließen sich Ressourcen viel effizienter nutzen. Das Teilen von Autos könne etwa den Verkehr in den Städten eindämmen. Manche Vorschriften seien überholt, etwa die Ortskunde-Prüfung für Taxi-Fahrer. Schließlich gibt es Navis. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, verlangt klare Grenzen zwischen gewerblichen und privaten Anbietern. Privatleute sollen leichter legal Sharing-Dienste anbieten können, etwa mit Hilfe von Bagatellklauseln, die es Mietern erlauben, Zimmer in Grenzen weiterzuvermieten. - Andererseits müssten die Vermittlungsplattformen Qualität und Transparenz sicherstellen.

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