Giftiges Quecksilber aus Kohlemeilern

Berlin · Braunkohlekraftwerke sind seit Jahren in der Kritik, weil sie besonders viel klimaschädliche Gase in die Luft blasen. Umweltschützer warnen nun vor einer weiteren Gefahr: Die Meiler stoßen auch giftiges Quecksilber aus, das am Ende auf den Tellern der Verbraucher landet.

Di e Greenpeace-Aktivisten rücken im Morgengrauen mit ihren Beamern an. Auf die Kühltürme von sieben Kraftwerken projizieren sie Totenkopf-Bilder und den Spruch "Kohle tötet". Mit dieser Lichtshow wollten die Umweltschützer vor ein paar Wochen darauf aufmerksam machen, dass bei der Stromproduktion vor allem aus Braunkohle nicht nur schädliche Treibhausgase freigesetzt werden, sondern auch das giftige Schwermetall Quecksilbe r.

Jetzt legt Greenpeace mit einer neuen Studie nach. Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt. Während in Deutschland gerade eine Lobbyschlacht um die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ) geplante Klimaschutz-Strafabgabe für die Braunkohle tobt, versammeln sich Anfang Juni in Sevilla europäische Experten, um über künftige EU-Schadstoffgrenzen auch für Kohle-Kraftwerke ab dem Jahr 2020 zu beraten. Für Quecksilber gibt es bislang europaweit gar keine einheitliche Obergrenze.

Greenpeace fürchtet, dass die EU nicht den Mut hat, der durch den Vormarsch von Wind- und Sonnenstrom ohnehin gebeutelten Kohle-Industrie ähnlich strenge Vorgaben wie die USA vor die Nase zu setzen. Dort dürfen bestehende Braunkohle-Kraftwerke nicht mehr als 4,8 Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter Abluft ausstoßen, bei der Steinkohle sind es 1,5 Mikrogramm. In der EU ist ein Jahresgrenzwert von zehn Mikrogramm für Braunkohle-Meiler im Gespräch, der in Deutschland bereits ab 2019 gelten wird.

Greenpeace fordert, den Ehrgeiz zu verzehnfachen - also den Grenzwert auf ein Mikrogramm zu senken: "Mit schon heute verfügbarer Technik kann der Quecksilberausstoß in Kohlekraftwerken um 80 Prozent reduziert werden", meint Energie-Experte Andree Böhling. Einige deutsche und ausländische Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke würden schon seit Jahren weniger als drei Mikrogramm schaffen, weil sie hochmoderne Filter einsetzten. Die Kosten für eine Nachrüstung aller Kraftwerke seien überschaubar.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist die Quecksilber-Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt sehr bewusst. Deshalb will sich die SPD-Politikerin von Greenpeace nicht nachsagen lassen, die Regierung trete in Brüssel für zu lasche Vorgaben ein. Wichtig sei, erstmals überhaupt einen Quecksilber-Grenzwert zu etablieren, der ambitioniert, aber auch realistisch für alle 28 EU-Staaten sei, sagt ein Sprecher der Ministerin. Der Greenpeace-Vergleich mit den USA hinke. Dort würden reine Quecksilber-Abscheider in Kraftwerken eingesetzt, während in Europa die Filter weitere Schadstoffe aus der Abluft holten.

Unbestritten ist die Gesundheitsgefahr, die von dem Schwermetall ausgeht. Die Mediziner und Toxikologen Peter Jennrich und Fritz Kalberlah haben für Greenpeace ein Gutachten erstellt und sind besorgt. Die Quecksilber-Belastung in Deutschland, dem größten Emittenten in Europa, sei deutlich zu hoch. "Jedes dritte in der EU geborene Baby kommt heute mit zu hohen Quecksilberwerten zur Welt", meint Kalberlah. Die Emissionen müssten drastisch verringert werden. Aufpassen müssen vor allem Verbraucher, die gern und viel Fisch essen, weil das industriell ausgestoßene Quecksilber sich in den Weltmeeren ablagert und in die Nahrungskette gelangt.

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