SPD provoziert Steuerstreit mit Schäuble

Berlin · Die SPD schlägt eine üppige Förderung von Hightech-Firmengründungen vor. Dabei durchkreuzen die Sozialdemokraten Pläne des Bundesfinanzministers und werfen ihm eine Blockadehaltung vor.

Unter Hochdruck wird in der Koalition an einem Gesetz über die Bedingungen von Wagniskapital gearbeitet - allerdings zieht sie nicht an einem Strang. Es geht darum, wie Unternehmensneugründungen im Hightech-Bereich , sogenannte Start-ups, besser gefördert werden können.

Um die Förderung zu finanzieren, steht seit gestern auch die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge zur Diskussion. Die SPD hatte im letzten Wahlkampf gefordert, statt der pauschalen 25 Prozent auf Dividenden , Zins- und Aktiengewinne den individuellen Steuersatz anzulegen, der bei wohlhabenden Leuten meist höher ist - bis hin zum Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Gestern brachte sie den Vorschlag wieder vor - zur Gegenfinanzierung von üppigen Erleichterungen für Start-ups.

Im CDU-geführten Finanzministerium reagierte man ausweichend. Verwiesen wurde auf den Ursprung der Abgeltungssteuer : Der damalige SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hatte sie 2010 als pauschale Quellensteuer eingeführt, weil sonst die meisten Kapitalerträge nicht erfasst und versteuert worden wären. "Besser 25 Prozent von X, als 42 Prozent von Nix", lautete Steinbrücks eingängiges Bonmot. Inzwischen aber müssen die Banken auch in den Steueroasen Kapitalerträge melden. Erst wenn dieses automatische Informationssystem vollständig installiert sei und funktioniere, könne man über eine Änderung der Abgeltungssteuer reden, hieß es im Hause von Finanzminister Wolfgang Schäuble . Genauer: "In der nächsten Legislaturperiode."

Die Abschaffung der Abgeltungssteuer ist aus Sicht der Union der vergiftete Apfel in einem Korb ansonsten großzügigster Maßnahmen zur Förderung von Unternehmensgründungen, die SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil gestern vorstellte. So sollen Start-ups Forschungsaufwendungen per Steuergutschrift prämiert bekommen, Verlustvorträge sollen bei einem Wechsel der Anteilseigner erhalten bleiben und Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen bei solchen Unternehmen gänzlich steuerfrei sein.

Gerade beim letzten Punkt findet die SPD auch die Unterstützung des CDU-Wirtschaftsflügels. Der hatte Schäubles Vorstellungen scharf als "nicht akzeptabel" kritisiert, wonach Veräußerungsgewinne von Streubesitz bei Start-ups nur teilweise steuerbefreit sein sollen. 30 Prozent der Anfangsfinanzierung solle man geltend machen können, hatte das Ministerium vorgeschlagen. Bisher sind Veräußerungsgewinne von Streubeteiligungen generell steuerfrei, anders als Dividenden . Das hatte zu Steuer-Tricksereien geführt, die Schäuble abstellen will.

Die SPD sieht schon die Chance, einen Spaltpilz ins gegnerische Lager zu bringen. Heil warf Schäuble "Blockadehaltung" vor und drohte, wenn es bis zur Kabinettsklausur Mitte September keine Einigung auf der Ebene der Ressorts gebe, werde die SPD sich an die Unionsfraktion wenden. Heil treuherzig: "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wir brauchen mehr Gründer in Deutschland."

Meinung:

Wer wagt, soll auch gewinnen

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Wer es wagt, Hightech-Gründer mit Millionen zu unterstützen, muss angesichts der hohen Risiken auch die Chance auf hohe Gewinne haben. Daher ist es wichtig, attraktive Bedingungen für Wagniskapital zu schaffen. Denn solches Wagniskapital fehlt in Deutschland. Die Vorschläge der SPD könnten also einen Akzent in der Wirtschaftsförderung setzen - wenn da nicht der zugleich provozierte Streit mit dem Bundesfinanzminister wäre. Bei der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen mag es um die Sache gehen. Aber wenn eine alte Forderung aus dem Wahlkampf hervorgeholt wird, ist offenbar viel Parteitaktik im Spiel. In dem absehbaren Koalitionsgerangel könnten ausgerechnet die als Verlierer dastehen, die eigentlich gewinnen sollten: Wagniskapitalgeber und Gründer. Und das wäre fatal.

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