Whitesell will Schraubenfabrik verkaufen

Beckingen · IG Metall und Betriebsrat sehen jetzt Chancen für ein Überleben der Beckinger Schraubenfabrik. Whitesell will den Weg für den Einstieg eines neuen Investors freimachen.

 Über tausend Menschen demonstrierten vor gut zwei Wochen in Beckingen gegen Whitesell. Foto: Rolf Ruppenthal

Über tausend Menschen demonstrierten vor gut zwei Wochen in Beckingen gegen Whitesell. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Ein Hoffnungsschimmer für die 340 Beschäftigten der Beckinger Schraubenfabrik, die um ihre Arbeitsplätze bangen. Jetzt haben Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall schriftlich, was Vertreter des amerikanischen Eigners Whitesell bisher nur auf einer Betriebsversammlung und in einer Ausschusssitzung angedeutet haben. "Wir erwägen einen Verkauf", heißt es in einem Schreiben des Whitesell-Managers Vincent Constantino an den Gesamtbetriebsrat der deutschen Schrauben-Gruppe. Constantino fordert darin zur Abgabe von Kaufofferten auf.

"Ein Verkauf ist die einzige Chance fürs Überleben. Das Signal für den Verkauf haben wir jetzt", sagt Gerfried Lauer, Betriebsratschef in Beckingen . "Das ist eine gute Nachricht", kommentiert Guido Lesch, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen, die E-Mail aus Florida und fügt hinzu: "Es gibt auch Interessenten." Nach Informationen unserer Zeitung ist darunter ein saarländischer Investor, der einen Kauf zumindest der Standorte Beckingen und Neuwied erwägt. Eine renommierte Anwaltskanzlei soll beauftragt sein, die Möglichkeiten für den Einstieg auszuloten. In Beckingen hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die niederländische Nedschroef Holding, die in Fraulautern Schrauben produziert, das saarländische Konkurrenz-Werk übernehmen könnte. Lauer bestätigt, dass er mehrfach darauf angesprochen worden sei. "Für Nedschroef würde das Sinn ergeben", sagt er. Denn in Fraulautern habe man mehr als genug zu tun.

Seit Monaten drängen die Arbeitnehmervertreter die Whitesell Group, die Fabriken in Beckingen , Neuwied , Schrozberg und Neuss wieder zu veräußern. Das US-Unternehmen hat sie seit der Übernahme vor einem Jahr nahezu in den Ruin gewirtschaftet, indem es Kunden mit extremen Preiserhöhungen vergrault hat. 1300 Arbeitsplätze sind bedroht. Whitesell gilt hierzulande inzwischen als Heuschrecke, die auf Kosten der Mitarbeiter schnelles Geld machen will.

Nach Einschätzung von Lesch und Lauer hat ein Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach dazu beigetragen, dass die Amerikaner schnell verkaufen wollen. Demnach kommt Whitesell bei der geplanten Schließung der Neusser Schraubenfabrik nicht um einen - kostenintensiven - Sozialplan herum (wir berichteten). Und noch eine weitere Niederlage vor Gericht könnte die Verkaufspläne befördert haben.

Das US-Unternehmen soll mit dem Versuch gescheitert sein, BMW per einstweiliger Verfügung zu zwingen, keinen anderen Schraubenlieferanten als Whitesell zu beauftragen. Der Münchener Autohersteller war Anfang Dezember als letzter Großkunde abgesprungen und hatte sich über erpresserische Geschäftsmethoden beklagt. Eine Stellungnahme von Whitesell war am Dienstag nicht zu erhalten.

Meinung:

Chance auf einen Neustart

Von Merkur-MitarbeiterVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Beckinger Schraubenfabrik hat jetzt wieder eine Chance. Nur wenn ein Verkauf zustande kommt, kann es den dringend nötigen Neustart geben. Ja, nicht weniger als einen Neustart braucht das Werk. Nachdem sich mit BMW der letzte Großkunde von Whitesell abgewendet hat, liegt die Auslastung bei weniger als 30 Prozent. Die Belegschaft hat kaum etwas zu tun. Wer immer die Fabrik übernimmt, der muss verprellte Kunden zurückgewinnen und eigene Aufträge mitbringen. Andernfalls sind die meisten Jobs verloren. Erst einmal muss es aber gelingen, die Heuschrecke Whitesell loszuwerden. Schwierige Verhandlungen stehen bevor. Denn Whitesell will gewiss noch einmal Kasse machen.

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