Auf alles gefasst sein

Wieder ist ein Kremlkritiker durch ein heimtückisches Attentat ums Leben gekommen. Der charismatische Oppositionspolitiker Boris Nemzow wurde in Moskau auf offener Straße hinterrücks erschossen. Da der Kreml bei früheren Attentaten umgehend in Verdacht geriet, wurde versucht, sofort jegliche Zweifel zu zerstreuen: In politischer Hinsicht habe Nemzow für die Führung Russlands und für Wladimir Putin keine Bedrohung dargestellt.

Nun hat Putin den Fall persönlich unter seine Fittiche genommen -für die Aufklärungsstatistik ein schlechtes Omen.

Es hat keinen Sinn, sich Illusionen hinzugeben. Schon gar nicht, wenn es um Russland geht. Seit einem Jahr führt Moskau in der Ukraine Krieg. Tausende Opfer hat der vom Kreml verleugnete Krieg bereits gefordert. Russland übernimmt für sein Handeln keine Verantwortung. Doch jeder weiß, wer dahintersteckt. Vom Abschuss der malayischen Boeing bis zu den marodierenden Terroreinheiten sogenannter Aufständischer in der Ost-Ukraine, Russland hat die Hände im Spiel.

Wo Moskau herrscht, herrscht Gewalt. Auch die Verfolgung der Punkmusikerinnen von Pussy Riot war schon ein gewaltsamer Akt. Genauso wie das Vorgehen gegen Schwule. Es erreicht nicht die Dimension eines Krieges, für Betroffene ist Gewalt indes nicht differenzierbar. Wir hätten gewarnt sein müssen. Die Gewalt, die Russland nach außen wendet, ist einfach nicht von der Brutalität des Systems im Inneren zu trennen.

Mit dem Mord an dem Oppositionellen Boris Nemzow wurde klar, dass die Gewaltbereitschaft gegen das eigene Volk lediglich eine neue Dimension erreicht. Vom hybriden Krieg zum hybriden Terror. Viel fehle nicht mehr und die Repressionen hielten in Moskau wieder Einzug, fürchten russische Beobachter. Wie in den Jahren des großen Terrors. Diese Angst ist sicherlich überzeichnet. Doch das System Putin hat vor Langem schon eine Grenze überschritten. Hass und Ausgrenzung, Aushebelung elementarer Normen und ethischer Standards sind die Folge einer jahrelangen Indoktrination. Lüge und Wahrheit wurden auswechselbar. Täglich werden die Bürger über die Medien konditioniert: Sei wachsam, neben dir lauert ein Feind, lautet die unterschwellige Botschaft. Wo ein Feind lauert, darf auch getötet werden. Die Gesellschaft ist gestört. Statt ihr zu helfen, heizen die Medien weiter ein. Aus Journalisten werden Anstifter zu Kapitalverbrechen. Manche machen es bewusst, die Mehrheit der Jüngeren bemerkt es gar nicht. In Deutschland wissen wir, was am Ende dabei herauskommt.

Die Welle der Gewalt ist kaum noch aufzuhalten. Nemzow war nicht das letzte Opfer. Putins Schergen haben Gewalt und Hass gesät und die Gesellschaft mit einem schrecklichen Virus infiziert. Dem Hass auf alles, was einen eigenen Kopf hat.

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